Jason Baron verwendet einen ungewöhnlichen Indikator, um Aktien zu bewerten: Frauen. Bei U.S. Trust in Boston arbeitet er in einem kleinen, aber wachsenden Teil der Vermögensverwaltungsbrache, der auf die Idee setzt, dass es sich beim Investieren lohnt, auf das Geschlecht zu achten.
Das Hauptargument, das durch Studien untermauert wird: Unternehmen mit einem relativ hohen Frauenanteil in Führungspositionen entwickeln sich besser als solche, die von Männern dominiert sind. Traditionalisten mögen darüber spotten. Aber: Das etwa halbe Dutzend Frauen-fokussierte Fonds und Investmentstrategien – ein winziger Teil des 6,6 Billionen Dollar schweren Sektors für „gesellschaftlich verantwortungsvolles“ Investieren – hat sich überdurchschnittlich entwickelt.
Die „Women & Girls Equality“- Strategie von Baron, die Private-Banking-Kunden angeboten wird, hat ihren Vergleichsindex 2013 und 2014 übertroffen, liegt in diesem Jahr allerdings bislang leicht darunter. Bis zur jüngsten Marktschwäche verzeichneten mehrere globale Investmentfonds mit ähnlichem Schwerpunkt zweistellige Renditen.
Ob es der Fokus auf Frauen, die Umwelt oder die Menschenrechte ist: Ein sozialverantwortlicher Ansatz ist eine Möglichkeit, Geld und Gewissen in Einklang zu bringen. Doch bei vielen ist die Frage, ob es bei der sogenannten Gender-Brille darum geht, etwas zu verändern, oder nur um Profit. Zumindest ein Frauen-fokussierter Fonds gibt nicht einmal vor, mit seiner Aktienauswahl Frauen im Management fördern zu wollen, sondern sucht nach Unternehmen, die vorwiegend von Frauen gekaufte Produkte herstellen – etwa Kosmetika.
Manager wie Baron oder Eve Ellis, die das „Parity Portfolio“ von Morgan Stanley verwaltet, verweisen auf Studien der letzten zehn Jahre, die darauf hindeuten, dass man mit Aktien von Unternehmen mit vielen Frauen in Spitzenpositionen Geld verdienen kann. Hervorgehoben wird vor allem die erste „Women Matter“-Studie von McKinsey von 2007. Wenn man die Gender-Brille richtig nutze, „muss man für soziale Rendite keine finanzielle Rendite opfern“, erklärt Ellis.
Die meisten der Fonds versuchen, die Art von Erträgen zu erzielen, die laut McKinsey-StudieFrauen in Führungspositionen bringen können. Der UBS Hana She&Style in Südkorea allerdings konzentriert sich auf Firmen, die Produkte herstellen, die „weibliche Konsumenten ansprechen“, etwa Handys und Makeup.
Dieser Ansatz sei eine etwas großzügige Anwendung der Gender-Brille im Investmentbereich, erklärt Barbara Krumsiek, Senior Industry Fellow am Women’s Leadership Institute der Georgetown University und ehemals CEO von Calvert. Doch das dürfte manche wenig kümmern: She&Style hat in diesem Jahr 18 Prozent Ertrag gebracht – mit Beteiligungen unter anderem am Hautpflegeproduzenten Amorepacific und Küchenhersteller Hanssem.
Valeurs Feminines, die Großmutter der Frauen-fokussierten Fonds in Europa, wurde 2005 von der französischen Investmentboutique Conseil Plus Gestion aufgelegt. Der Fonds investiert hauptsächlich in europäische Unternehmen, die viele weibliche Führungskräfte oder „eine starke weibliche Konnotation“ haben, so CPG-Chef Jean-Louis Hostache.
Unter den größten Beteiligungen waren Ende Juni der Werbekonzern Publicis Groupe, dessen Chairman-Position und sechs der 15 weiteren Direktorenposten mit Frauen besetzt sind, sowie der Versicherer Axa, der einen weiblichen COO und fünf Frauen im 14-köpfigen Verwaltungsrat hat. Doch Hostache und CPG- Fondsmanagerin Caroline Grinda kaufen auch Aktien von Firmen wie Etam Developpement, einem Bekleidungshändler, dessen Papiere seit Jahresbeginn rund 25 Prozent zugelegt haben. „Wir dachten, es wäre eine Schande, nicht von der wachsenden ökonomischen Macht von Frauen zu profitieren“, sagt Hostache. Valeurs Feminines hat seit seiner Gründung seinen Vergleichsindex, den Eurostoxx 50, um etwa 70 Prozent überflügelt. Seit Jahresbeginn hat er 8,8 Prozent zugelegt.
Doch nicht jeder hält etwas von der Gender-Brille. So setzt sich BlackRock zwar für mehr weibliche Vorstandsmitglieder in Unternehmen ein und verwaltet mehrere „gesellschaftlich verantwortungsbewusste“ Investmentprodukte, darunter aber keines mit Fokus auf Frauen. Laut Michelle Edkins, Global Head of Corporate Governance bei BlackRock, gibt es derzeit keinen „konsistenten und skalierbaren Rahmen“, um solche Investments zu steuern, sofern das Ziel über bloß solide Erträge hinaus geht.
Zwar kann Geschlechtervielfalt ein Zeichen für ein gut geführtes Unternehmen sein, jedoch „ist die Kausalität schwer nachzuweisen“, so Edkins. Die Frage ist: Ist ein Unternehmen vielfältig, weil es gut geführt ist, oder ist es gut geführt, weil es vielfältig ist?
Auch muss die Zahl der Frauen in Spitzenpositionen nicht unbedingt widerspiegeln, wie Unternehmen alle weiblichen Mitarbeiter behandeln. Die Aktienauswahl auf Grundlage solcher Statistiken sei „grob vereinfachend – das ist wirklich oberflächliches Investieren“, sagt Krumsiek. „Das spiegelt nicht unbedingt wider, ob sie Gutes für alle Frauen tun.“
Baron von U.S. Trust geht da mit seiner „Women & Girls“- Investmentstrategie tiefer. Er schaut nicht nur auf die Zahl von Frauen in Führungspositionen, sondern berücksichtigt auch, ob Unternehmen Produkte in Länder verkaufen oder aus diesen beziehen, wo Frauen nicht als vollwertige Staatsbürger gesehen werden.
Andere Maße beziehen sich darauf, ob ein Unternehmen Frauen in der Werbung verantwortungsbewusst darstellt, Frauen fördert und ihnen ausreichende Gehälter zahlt. Baron achtet auch auf Produkte, die Frauen in Entwicklungsländern helfen – etwa solarbetriebene Lampen oder Öfen. „Ich rede hier nicht von rosafarbenen Laptops“, erklärt er. Nur etwa 125 Unternehmen aus dem S&P 1500 schaffen es durch diesen Auswahlprozess. „Diese neigen dazu, sich auch ziemlich gut zu entwickeln“, so Baron.
Von: Bloomberg
Quelle: DAS INVESTMENT.