Das Investment: Indien macht die größten Fortschritte

sjb_werbung_das_investment_300_200SJB | Korschenbroich, 06.10.2014. Seit Juli schwächeln die Wirtschaft und die Währungen mancher Schwellenländer. Ernst Konrad, Fondsmanager von Eyb & Wallwitz Vermögensmanagement, erklärt, warum es in Indien bergauf geht.

Im Mai 2013 fing es an: Die FED dachte laut über die Reduktion ihrer monatlichen Anleihekäufe nach, die Rendite zehnjähriger amerikanischer Staatsanleihen stieg innerhalb weniger Wochen von 2 auf 3 Prozent und China enttäuschte die Welt nicht nur mit schwachen Wachstumszahlen, sondern auch mit dem Verzicht auf weitere Investitionsprogramme.

Diese Konstellation machte vor allem einer Gruppe von Schwellenländern zu schaffen, die unter dem wohlklingenden Namen „Fragile Five“ zusammengefasst wurden. Dazu zählen Brasilien, Indien, Indonesien, Südafrika und die Türkei.

Trotz mancher Unterschiede war diesen Ländern eines gemeinsam: Ein Leistungsbilanzdefizit, das vor allem durch kurzfristig orientierte Kapitalzuflüsse aus dem Ausland finanziert wurde.

Dies funktioniert in der Regel problemlos, so lange die Kapitalimportländer hohes Wirtschaftswachstum verzeichnen, in den Kapitalexportländern, also vor allem den Industrieländern, die Zinsen niedrig sind und Liquidität durch expansive Geldpolitik reichlich vorhanden ist.

Droht allerdings wie Mitte letzten Jahres auf einmal eine Liquiditätsverknappung, können die Kapitalimporte plötzlich wegbrechen. Währungs- und Finanzmarktturbulenzen sind dann die Folge.

Die Währungen der „Fragile Five“-Länder gaben auf breiter Front nach, die Notenbanken erhöhten die Zinsen, um weitere Kapitalabflüsse zu verhindern, die Anleiherenditen stiegen  und Aktienkurse fielen.

Hier enden aber auch schon die Parallelen. Während in Indien bereits Lehren aus dem letzten Jahr gezogen wurden, ist in den anderen Ländern bislang wenig passiert.

Trotzdem haben sich die Renditen überall stabilisiert, nachdem die FED angedeutet hatte, dass sie sich mehr Zeit bei der Verschärfung der Geldpolitik lassen will. An den Aktienmärkten ist das Bild allerdings differenzierter: Besonders Indien wurde von den Investoren belohnt, während die Aktienmärkte in Brasilien und der Türkei unter der Reformunwilligkeit der dortigen Regierungen zu leiden haben.

Die Gewinner: Indien und Indonesien

Obwohl die indische Rupie weit weniger abgewertet hat als beispielsweise die türkische Lira, konnte nur Indien seine Leistungsbilanz in den letzten zwölf Monaten signifikant verbessern. Seit der Wahl des als wirtschaftsfreundlich geltenden Premierministers Modi im Mai ist ein Ruck durch das Land gegangen, der bereits erste Erfolge zeigt.

Zuvor lähmte der politische Stillstand die Wirtschaftstätigkeit. Seither geht es aber wieder bergauf: Die Wirtschaft wuchs zuletzt mit 5,7 Prozent, Industrieproduktion und Bauausgaben steigen wieder und der Notenbank ist es gelungen, die Inflationsrate von 10 Prozent auf 7,5 Prozent zu drücken.

Gleichzeitig besteht die Hoffnung, dass öffentliche und private Investitionsprojekte in Höhe von über 130 Milliarden US-Dollar, die momentan wegen Problemen beim Erwerb von Grundstücken oder Umweltschutzauflagen auf Eis liegen, in absehbarer Zeit realisiert werden.

Vor allem für die weitere Entwicklung der Aktienkurse ist dies entscheidend, da der indische Markt seit Jahresbeginn um 25 Prozent zugelegt hat. Bislang profitierte er hauptsächlich von den verbesserten Gewinnaussichten der Unternehmen.

Für 2015 wird ein Gewinnwachstum von knapp 20 Prozent prognostiziert, das KGV auf Basis dieser Gewinne liegt bei 15,5 und damit deutlich über dem Durchschnitt der letzten Jahre.

Auch Indonesien gibt Anlass zu Optimismus. Der neugewählte Präsident Widodo will den Haushalt durch die Streichung von Subventionen auf Benzin sanieren und gleichzeitig die öffentlichen Investitionen erhöhen.

Auch das Leistungsbilanzdefizit hat sich dank der letztjährigen Abwertung der Rupie zumindest stabilisiert und wird wahrscheinlich bis Jahresende auf 3 Prozent der Wirtschaftsleistung zurückgehen.

Probleme bereiten weiterhin die Bekämpfung der Inflation und das unrealistische Versprechen des Präsidenten von 7 Prozent Wirtschaftswachstum für die nächsten Jahre. Trotzdem ist in diesem Jahr viel ausländisches Kapital nach Indonesien geflossen und hat den Aktienmarkt zuletzt auf ein neues Allzeithoch getrieben.

Die Verlierer: Brasilien und die Türkei

In Brasilien ist die wirtschaftliche Dynamik eindeutig negativ: die Wachstumserwartungen werden seit mehreren Monaten kontinuierlich auf zuletzt nur noch 0,5 Prozent für 2014 und 1 Prozent für 2015 gekürzt, Haushalts- und Leistungsbilanzdefizit nehmen zu und die Investitionsquote ist zuletzt auf den für ein Schwellenland sehr niedrigen Wert von 18 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung gesunken.

Gleichzeitig hält sich die Inflationsrate hartnäckig über der Toleranzschwelle der Notenbank von 6 Prozent. Geldmarktzinsen von 11 Prozent bremsen aber nicht nur die Investitionstätigkeit, sondern auch den vor allem durch öffentliche Banken zu nicht-marktgängigen Konditionen kreditfinanzierten privaten Verbrauch, der neben den Rohstoffexporten mitverantwortlich für den wirtschaftlichen Aufschwung der letzten Jahre war.

Die Präsidentschaftswahl Anfang Oktober wird anders als in Indien keinen radikalen wirtschaftspolitischen Kurswechsel mit sich bringen. Zwar gilt die Herausforderin Silva als reformfreudiger als die Amtsinhaberin Rousseff (so will sie beispielsweise der Notenbank mehr Unabhängigkeit einräumen).

Solange aber die Wirtschaftspolitik ihren Schwerpunkt vor allem auf Wohltaten für die eigene Klientel legt und zu wenig entschlossen Inflation und Budgetdefizit bekämpft, werden sich brasilianische Aktien und Anleihen schwer tun.

Gefahr für türkische Assets

Ähnliches gilt für die Türkei. Auch dort bekommt die Zentralbank die Inflationsrate nicht in den Griff, obwohl die kurzfristigen Zinsen bei über 8 Prozent liegen. Dies bremst vor allem den privaten Verbrauch. Das Wachstumsziel von 4 Prozent wird wahrscheinlich 2014 und 2015 verfehlt werden.

Trotz der Abwertung der Lira um 25 Prozent gegenüber dem US-Dollar im letzten Jahr hat sich auch die Leistungsbilanz kaum verbessert. Da ausländische Direktinvestitionen nur 30 Prozent des gesamten Kapitalimports ausmachen, bleibt die Türkei abhängig von kurzfristig orientierten Kapitalzuflüssen.

Vor diesem Hintergrund ist der drohende Entzug des Investment-Grade-Ratings durch Moody’s (S&P bewertet die Türkei bereits mit BB+) eine zusätzliche Gefahr für türkische Assets.

Südafrika hat zwar ebenfalls Probleme bei der Inflationsbekämpfung, allerdings genießt die Zentralbank unter internationalen Investoren einen besseren Ruf als die türkische oder brasilianische, was sich in niedrigeren Notenbankzinsen und Anleiherenditen niederschlägt.

Die Wirtschaft leidet immer noch unter den Folgen eines mehrmonatigen Streiks, der die Rohstoffförderung um 8 Prozent gegenüber dem Vorjahr einbrechen ließ und das Wachstum in diesem und dem nächsten Jahr auf maximal 2 Prozent begrenzen wird.

Implikationen für die Kapitalmärkte

In den letzten zwei Jahren verhielten sich ausländische Anleger in den Schwellenländern besonders prozyklisch, das heißt bei steigenden Aktien- und Anleihekursen kauften sie, trennten sich aber genauso schnell wieder von ihren Beständen, sobald die Preise zurückgingen.

Mittlerweile wird das Geschehen von großen Fondsmanagementgesellschaften und ETF-Anbietern dominiert, die durch ihr Verhalten die Volatilität in diesen Märkten anheizen und Investitionen riskanter erscheinen lassen, als sie tatsächlich sind.

Erschwerend kommt hinzu, dass die ultralockere Geldpolitik von FED, EZB und der Bank von Japan viele Anleger angelockt hat, die an diese höheren Schwankungen nicht gewöhnt sind und bei der kleinsten Erschütterung panikartig verkaufen.

Der starke Einfluss der Investorenstimmung auf das Marktgeschehen führte im Sommer 2013 dazu, dass die Kursverluste an den Aktienmärkten der wirtschaftlich starken Schwellenländer Mexiko oder Süd-Korea ähnlich groß waren wie die in den „Fragile Five“. Investoren in Schwellenländern brauchen deshalb gute Nerven.

Die angesprochenen Probleme in Bezug auf Inflation, Auslandsverschuldung und Wachstum haben sich auch in der Bonitätseinschätzung für Schwellenländer niedergeschlagen.

Der zwischen 2009 und 2013 anhaltende Trend zu besseren Ratings ist gebrochen, während es in den Industrieländern im Zuge der Beruhigung der Eurokrise wieder verstärkt zu Upgrades gekommen ist.

Für die nächsten Monate wird das Geschehen aber weniger von binnenwirtschaftlichen Daten als von der Entwicklung in den USA abhängen. In der Vergangenheit profitierten Aktien und Anleihen aus den Schwellenländern von fallenden US-Renditen.

Die Risikoaufschläge der Anleihen sind seit Ende der Finanzkrise im Schlepptau fallender US-Renditen deutlich zurückgekommen. Aktien aus Schwellenländern haben sich seit der Krise des Jahres 1998 bis 2011 besser entwickelt als die Aktienmärkte der Industrieländer.

Im selben Zeitraum ist die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen von über 5 Prozent auf 2,5 Prozent gefallen . Die Rendite ist invertiert abgetragen, um die Outperformance der Schwellenländer bei rückläufigen Renditen darzustellen.

Da wir für die USA über die nächsten Monate im Trend leicht steigende Renditen erwarten, drängt sich aus dieser Perspektive eine Investition in den Schwellenländern aktuell nicht auf.

Dagegen spricht auch der wiedererstarkende US-Dollar. In der Vergangenheit waren Phasen einer ausgeprägten Dollar-Schwäche (wie zwischen 2002 und 2007) von rückläufigen Risikoaufschlägen und einer deutlichen Outperformance von Schwellenländer-Aktien begleitet.  Der US-Dollar-Index ist invertiert abgetragen.

Wertete sich der US-Dollar allerdings deutlich auf, wie zwischen 1994 und 2000, blieb die Wertentwicklung der Aktien aus den Schwellenländern hinter der aus den Industrieländern zurück.

Unseres Erachtens stehen wir erneut am Beginn einer Periode nachhaltiger Dollar-Stärke. Wie schon die Analyse des Zinsumfelds gezeigt hat, sehen die Schwellenländer in ihrer Gesamtheit auch aus diesem Blickwinkel weniger attraktiv aus.

Dass sich die Phase relativer Ruhe in den Schwellenländern allmählich ihrem Ende nähert, zeigt auch ein Blick auf die Währungen. Diese reagieren meist schneller als die Aktien- oder Anleihemärkte. Seit Juli schwächeln die Währungen der „Fragile Five“ wieder.

Die Kosten, um sich gegen einen weiteren Kursverfall abzusichern, sind ähnlich hoch wie im Februar, als diese Währungen auf ein Fünf-Jahres-Tief gegenüber dem US-Dollar fielen.

Fazit

Das Umfeld für Anlagen in den Schwellenländern ist vor dem Hintergrund steigender Renditen in den USA und eines festeren US-Dollars eher ungünstig. Unter den „Fragile Five“ hat Indien die größten Fortschritte gemacht, welche sich allerdings auch in der ambitionierten Bewertung des Aktienmarktes widerspiegeln. Die Türkei und Brasilien bleiben hingegen besonders anfällig für Kapitalabflüsse und folglich steigende Zinsen und eine schwächere Währung.

Siehe auch

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