SJB|Korschenbroich, 31.03.2011. Wenn sich mit DWS-Urgestein Klaus Kaldemorgen und Mischfonds-Star Edouard Carmignac zwei der erfolgreichsten und populärsten Fondsmanager an einen Tisch setzen, wird es spannend: Ein Gespräch über aktuelle Finanzthemen wie Japans Aktienmarkt und die Schuldenkrise.
München, ein Hotel, Kellergeschoss, ein schmuckloses Zimmer und vorn zwei Fonds-Promis. Beide entspannt, blaue Hemden, rote Binder.
Auf einer Presseveranstaltung in München treffen Klaus Kaldemorgen und Edouard Carmignac erstmals vor der Presse aufeinander – ein Highlight unter oftmals nicht allzu spannenden Terminen. Kein Wunder, dass die Veranstaltung bestens besucht ist.
Carmignac war sowieso in Deutschland auf Roadshow unterwegs, und Kaldemorgen wollte ihn gern kennenlernen. Man schätzt und respektiert sich. Und man hat etwas zu bieten: Allein Kaldemorgens Fonds DWS Akkumula (WKN: 847402) und Vermögensbildungsfonds I (847652) sind zusammen gut 9 Milliarden Euro schwer. Und Carmignac verwaltet mit seinen beiden Vorzeigefonds Patrimoine (A0DPW0) und Investissement (A0DP5W) satte 31,6 Milliarden Euro. Sein Lohn für eine außerordentliche Performance.
Beide sind zwar erfolgreich, doch bei weitem nicht immer einer Meinung. Differenzen gibt es unter anderem beim japanischen Aktienmarkt, Aktien der Schwellenländer und möglichen Lösungen für das Schuldenproblem der Industrienationen.
Kaldemorgen und Carmignac über japanische Aktien
Klaus Kaldemorgen hat japanische Aktien in seinen Portfolios zu 12 bis 13 Prozent gewichtet – genauso hoch wie vor der Katastrophe. „Hätte ich gewusst, dass es ein Erdbeben gibt, hätte ich natürlich nicht so viel gehabt“, sagt er. „Aber danach war es zu spät.“ Er hatte den Aktienmarkt schon vor dem Börsensturz als günstig empfunden und zugegriffen. Der Yen sollte zudem die Wirtschaftsdaten widerspiegeln und im weltweiten Vergleich schwächer werden. Das hätte dem Export geholfen. Dieser Plan ist angesichts der jüngsten Aufwertung jedoch nicht aufgegangen – noch nicht. Jetzt hofft Kaldemorgen, dass die Katastrophe als eine Art Konjunkturprogramm wirken und Wirtschaft und Politik anschieben könne.
Carmignac war dagegen von vornherein nicht in Japan dabei. „Das Land steckte noch immer in der Deflation“, begründet er die Entscheidung. Eine Deflation liegt vor, wenn Preise in einem Land über lange Zeit sinken. Das lässt Unternehmen und Menschen ihre Einkäufe aufschieben und hemmt somit die Wirtschaft. Nach dem Kursrutsch erkennt Carmignac allerdings einige Aktien, die stark verloren haben, obwohl die Unternehmen vom Wirtschaftsbeben gar nicht betroffen sind. Hier werde er sicherlich zugreifen, kündigt er an, Japan aber insgesamt nie besonders.
Differenzen bei den Schwellenländern
„Die Schwellenländer sind zwar erwachsen geworden, es gibt aber noch immer tolle Möglichkeiten“, schwärmt Carmignac, der über ein Drittel seiner Portfolios dort investiert hat. Allein 14 Prozent liegen in chinesischen Aktien. „China ist vom allgemeinen Schuldendruck gut isoliert und ein richtiges Power-Haus“, meint er.
Kaldemorgen ist da skeptischer: „Nach zwei Jahrzehnten mit überdurchschnittlichen Gewinnen ist vieles in den Kursen schon enthalten“, gibt er zu bedenken. Seien Emerging-Market-Aktien in den Neunzigern noch zu Discountpreisen zu haben gewesen, notierten sie heute größtenteils mit Preisaufschlägen. Teilweise zwar gerechtfertig, aber Wachstum koste eben inzwischen Geld, so der DWS-Mann.
Das gebe vor allem bei Sektoren zu denken, in denen die Unternehmen besonders gut miteinander vergleichbar sind. „Warum soll ich eine Ölaktie in China oder Brasilien kaufen, wenn ich sie in den Industrieländern inzwischen billiger bekommen kann?“, fragt Kaldemorgen. Zudem habe sich der wirtschaftliche Rückenwind in den Schwellenländern in eine Brise von vorn umgekehrt: Inflation, steigende Löhne und aufwertende Währungen würden es den Ländern nun nicht mehr so einfach machen.
Die Rally im vergangenen Jahr hat der DWS-Manager verpasst. Nachträglich wollte er aber auch nicht aufspringen. Seine Schwellenländerquote liegt bei etwa 5 Prozent.
Das Schuldenproblem der alten Welt
„Die ausufernde Staatsverschuldung in den Industrienationen ist durch klassische Maßnahmen nicht mehr einzudämmen“, sagt Kaldemorgen. Neuerdings steige die Schuldenquote sogar in wirtschaftlich guten Zeiten. Selbst die Zentralbanken könnten die Staaten nicht mehr zur Ordnung rufen, sondern müssten durch niedrige Zinsen dafür sorgen, dass diese sich nach wie vor günstig verschulden können. Eine Anspielung auf die Kaufprogramme, mit denen die Europäische Zentralbank (EZB) und die US-Notenbank Fed die Anleihemärkte seit inzwischen fast einem Jahr stützen.
Und wie ist das Problem zu lösen? Für Kaldemorgen kommt hier nur eine Antwort in Frage: über Inflation. Denn bei Inflation verliert nicht nur Geld an Wert, sondern auch Schulden. Den ganz großen Krach inklusive Staatspleiten könne man nicht riskieren, argumentiert er. Das hätte einen zu großen Vermögenseffekt. Heißt: Anleger und Banken verlören dann Unmengen an Geld. Für Europa nimmt Kaldemorgen sogar das böse Wort Stagflation in den Mund. Das ist jene giftige Kombination aus stagnierender Wirtschaft bei gleichzeitig hoher Inflation. Keine schönen Aussichten, sollte er Recht behalten.
Carmignac will noch eine andere Lösung sehen. „Die Politiker müssen auf den öffentlichen Druck reagieren und in ihren Ländern aufräumen“, sagt der Franzose. Europa sei auf dem Weg in eine strengere Politik – im Gegensatz etwa zur USA. Der Markt erkenne das bereits an, indem er den Euro tendenziell aufwerte.
Aktie oder Anleihe?
Verschuldung, Inflation, Wirtschaft – alles spricht derzeit mehr für die Aktie, darin sind sich beide dann doch einig. „Aktien sind fair oder sogar billig bewertet und mit der Situation im Jahr 2000 auf keinen Fall zu vergleichen“, so Kaldemorgen. Unternehmen schafften Werte, Produkte, Arbeitsplätze. Aktien seien damit eine Quelle des Wohlstands, Schulden dagegen nur die Illusion eines Vermögens.
Und diese Illusion ist mitunter gefährdet, wie Carmignac abschließend bemerkt. „Früher hatten Sie die Gewissheit, dass Sie bei einer Anleihe Ihr Geld am Ende wiederbekommen. Das ist heute nicht mehr der Fall.“
Von: Andreas Scholz
Quelle: DAS INVESTMENT.