SJB | Korschenbroich, 09.06.2015. Starke Nerven mussten Anleger in den vergangenen Jahren bei Aktienfonds aufbringen, die in Unternehmen aus Lateinamerika investieren. Der aktuelle Crashtest zeigt, dass ein Investment sich durchaus lohnen kann, dass dabei aber die Wahl des richtigen Fonds entscheidend ist.
Die Fondskategorie war über Jahre ein Spitzeninvestment. Zuletzt aber konnten Lateinamerika-Aktienfonds in Sachen Wertentwicklung nicht mit den Fonds der Industrienationen mithalten. Zudem taugen die Fonds wegen der sehr starken Schwankungen für die meisten Investoren wohl nur als Beimischung. Maximale Verluste in drei Jahren von 30, 40 Prozent müssen Anleger aushalten können.
Wer aber einen langen Atem hat, findet interessante Fonds. So etwa den Comgest Growth Latin America, der im aktuellen Crashtest unter 37 untersuchten Produkten den ersten Platz belegt. Der Fonds liegt bei der Performance auf einen ordentlichen vierten Rang, beim Rating und vor allem ebenfalls beim zu einem Drittel in die Wertung eingehenden Stresstest lagen die Franzosen aber ganz vorne.
Konstant gute Werte von mindestens 77 Punkten in allen drei Testkategorien schaffte auch First State Latin America Fund. Unter dem Strich sammelte der Fonds 244 von 300 möglichen Punkten – ein Vorsprung von 17 Punkten auf den drittplatzierten ISI Latin America Equities der dänischen Investmentgesellschaft Sydinvest.
Auffällig im Crashtest sind die zum Teil großen Unterschiede zwischen den einzelnen Produkten. So hat beispielsweise bei der Performance der Erstplatzierte, der db x-trackers MSCI Mexico ETF auf Fünf-Jahres-Sicht ein Plus von 42 Prozent vorzuweisen, der First State Latin America Fund immerhin noch ein Plus von knapp 30 Prozent. Dagegen mussten Anleger, die auf den Pioneer Funds – Latin American Equity gesetzt haben, im selben Zeitraum ein Minus von knapp 27 Prozent hinnehmen, beim Natixis Emerging Latin America Equity Fund war es sogar ein Verlust von knapp 30 Prozent. Auch das verdeutlicht, wie wichtig bei dieser Fondskategorie die Wahl des richtigen Produkts ist.
Die drei Sieger-Fonds im Kurzporträt
Platz 1: Comgest Growth Latin America
Qualität steht bei der französischen Fondsgesellschaft Comgest stets im Vordergrund, und das gilt auch für den 2009 aufgelegten Comgest Growth Latin America. Fondsmanager Charles Biderman setzt also auf Qualitätswachstumsaktien, aber nur zu vernünftigen Preisen. Als reiner Stockpicker orientiert er sich ausschließlich an fundamentalen Kennzahlen und kauft nur Aktien von Unternehmen, von denen er wirklich überzeugt ist.
Entsprechend konzentriert ist das Portfolio, zurzeit sind nur 32 Werte im Fonds. Der Investmenthorizont ist langfristig und liegt bei drei bis fünf Jahren. „Unser Investmentstil, der Qualitätswachstumsansatz, bedeutet, dass wir Aktien sehr lang halten“, erläutert Bidermann. Er achtet zudem darauf, dass die Titel in der Regel gar nicht oder nur sehr wenig von makroökonomischen Zyklen abhängig sind.
„Politische Faktoren spielen keine Rolle für unseren langfristigen Anlageansatz. Aktien, wie Petrobras sind kein Thema für uns“, so der Fondsmanager. Zu seinen Favoriten zählen vielmehr Titel mit nachhaltigen und erkennbaren Ertragswachstum, die oft vom Markt unterschätzt werden. Der mexikanische Konsumgüterhersteller Fomento Economico Mexicano gehört aktuell ebenso zu den Top-Picks wie der Pharma-Wert Odontoprev und der Informationstechnologie-Dienstleister Cielo, beide Brasilien.
Überhaupt stammen fast zwei Drittel der Portfolio-Werte aktuell aus Brasilien. Vergleichsweise wenig fündig wird Bidermann dagegen in Mexiko. Dort ist der Comgest Growth Latin America mit einem Anteil von 16 Prozent am Portfolio gegenüber dem Index deutlich untergewichtet.
Platz 2: First State Latin America
Der von Tom Prew und Millar Mathieson gemangte First State Latin America zählt mit einem Fondsvolumen von 150 Millionen Euro zu einem der Schwergewichte der Fondskategorie. Die beiden Manager investieren in Unternehmen, nicht in Sektoren und Länder. „Daher steht zunächst die Suche nach starken Unternehmen im Vordergrund. Erst dann betrachten wir das politische und wirtschaftliche Umfeld“, erläutert Prew.
Besonders betont wird die Langfristigkeit des Investmentansatzes: „Wir investieren mit einem Anlagehorizont von in der Regel fünf Jahren und dementsprechend sind auch die Anreize gesetzt“, sagt Prew. Besonders wichtig ist deshalb die Qualität des Managements. „Weitere Schwerpunkte legen wir auf die Integrität des Managements, Corporate Governance sowie den früheren Erfolg bei der Planung und Umsetzung von langfristigen Strategien“, so Prew.
Chile hat eine ungewöhnlich hohe Gewichtung im nur 32 Titel umfassenden Portfolio. Fast die Hälfte der Werte stammt aus dem kleinen südamerikanischen Land. Brasilien hat einen Anteil von 31 Prozent, Mexiko immerhin noch von 13 Prozent. Zu den Top-Holdings gehören Kimberly-Clark aus Mexiko, der chilenische Finanzdienstleister Quinenco sowie der Versorger IAM Chile.
Die Wachstumsaussichten spielen eine wichtige Rolle bei der Analyse. Die sehen die beiden Fondsmanager aktuell vor allem bei Konsumwerten, die mit 30 Prozent den höchsten Anteil im 2009 aufgelegten Fonds ausmachen. „Wir bevorzugen Unternehmen, die die Erwartungen bezüglich Cashflow-Wachstum nachhaltig erfüllen. Übermäßige Wachstumsraten währen selten lange“, sagt Prew.
Platz 3: ISI Latin America Equities
Klein, aber fein, um nicht zu sagen, sehr klein, und sehr fein. Denn der Fonds der dänischen Fondsgesellschaft Sydinvest hat derzeit nur ein Fondsvolumen in Höhe von zwölf Millionen Euro aufzuweisen. Der ISI Latin America Equities investiert seit 1998 in Lateinamerika und hat den Vergleichsindex, den MSCI Latin America, meist abgehängt. Anders Damgaard managt den Fonds vom dänischen Aabenraa aus.
Insgesamt positiv gestimmt ist der Fondsmanager vor allem wegen der verbesserten politischen und wirtschaftlichen Stabilität der Region. Die frühere Verschuldung sei so gut wie überwunden, außerdem dürfte Lateinamerika langfristig vom steigenden Bedarf an Rohstoffen und Lebensmitteln, unter anderem aus China und Indien profitieren.
Der Fonds ist aktuell in Mexiko deutlich übergewichtet und in Brasilien entsprechend untergewichtet. „Die Wirtschaft Brasiliens dürfte sich weiterhin mit erheblichen Problemen herumschlagen, und es dürfte kurzfristig keine Hilfe von der Notenbank zu erwarten sein“, begründet Fondsmanager Damgaard. Die brasilianische Wirtschaft wird seiner Meinung nach aber längerfristig von einem verbesserten Haushalt profitieren. „Kurzfristig, das heißt im Jahr 2015, dürfte das Wachstum jedoch negativ ausfallen“, so Damgaard. Sein bevorzugter Markt bleibt Mexiko. „Die solide US-Wirtschaft stellt hier eine gute Stütze dar“, erklärt der Fondsmanager. Zusätzlich werden Unternehmen aus Peru sowie Kolumbien beigemischt.
Der Fondsmanager blickt weniger auf die einzelnen Unternehmen an sich. Vielmehr sieht er die Wahl der richtigen Länder und Sektoren als Erfolgsrezept. Finanztitel und Basiskonsumgüter zählen aktuell zu Damgaards Favoriten. Zu den größten Positionen gehören der mexikanische Finanzdienstleister Banorte, der peruanische Gold- und Silberproduzent Compania de Minas Buenaventura sowie der mexikanische Telekommunikationsdienstleister America Movil.
Neben makroökonomischen Daten analysiert es auch die politischen Verhältnisse. Bei den Unternehmenseinschätzungen verlässt sich Damgaard auf externe Analysen von Investmentbanken und auf die Auswertung von Firmendaten durch ein hauseigenes quantitatives Modell. Über diese beiden Filter gelangen schließlich rund 100 Aktien ins breit gestreute Portfolio.
CRASHTEST: DIE BESTEN LATEINAMERIKA-AKTIENFONDS ¦ VOLLSTÄNDIGE ANALYSE
Von: Heino Reents
Quelle: DAS INVESTMENT.