Nullkommanichts ist die neue Höhe des Leitzinses der Europäischen Zentralbank (EZB). Mit diesem Zinsschritt um 0,05 Prozentpunkte nach unten überraschte EZB-Präsident Mario Draghi viele Experten gleichermaßen. Über die Folgen der Politik des billigen Geldes sind sie aber uneins.
„EZB macht ihre Drohung wahr“
Thorsten Polleit ist Degussa-Chefvolkswirt: „Die EZB unter ihrem Präsidenten Mario Draghi macht ihre Drohung wahr, die sie bereits im Juli 2012 ausgesprochen hat: Sie erhält den Euro, was immer es auch kosten mag (für die Sparer). Sie hält Euro-Banken und -Staaten mit immer mehr neu geschaffenem Geld zahlungsfähig.“
„Ruine Europa oder ‚the show must go on‘“
Thomas Böckelmann ist Investmentchef der Vermögensmanagement Euroswitch: „In einem weiter volatil erwarteten Marktumfeld ist es ratsam, die eigenen Risikobudgets laufend zu hinterfragen, ohne jedoch die strategische Linie zu verlassen. Angesichts der inneren Stärke der Weltwirtschaft sehen wir weiterhin in Aktien und außerhalb der manipulierten Zinsmärkte die größten Chancen und schließen im Bezug auf Europa mit Schillers Worten: Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit, und neues Leben blüht aus den Ruinen.“
„Die EZB liefert“
Stefan Isaacs ist Stellvertretender Leiter des Retail Fixed Interest Teams bei M&G Investments: „Indem sie mehr liefert als erwartet, dürfte die EZB das Vertrauen des Marktes stärken, die Kreditvergabe unterstützen und die Inflationserwartungen erhöhen. Mario Draghi wird es zwar nicht öffentlich zugeben, aber die EZB dürfte sich sehr wohl im Klaren darüber sein, dass sie ihr Arsenal zur Unterstützung der Wirtschaft weitgehend ausgereizt hat.“
„EZB-Zinsentscheidung wird die Kreditvergabe stimulieren“
Léon Cornelissen ist Chefvolkswirt der niederländischen Fondsgesellschaft Robeco: „Die Beschlüsse sind ein geschickter Schachzug zur Förderung der Kreditvergabe durch Banken. Die Märkte haben diesen Schritt begrüßt.“
„EZB ist auf einem Irrweg“
Michael H. Heinz ist Präsident des Bundesverbands Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) und des Bundesverbands der Dienstleistungswirtschaft (BDWi): „Die negativen Folgen der Geldpolitik Draghis sind bereits heute für jedermann ersichtlich. Die Altersvorsorge der abhängig Beschäftigten gerät unter Druck. Sparen lohnt sich nicht mehr. Versicherungen und Sozialversicherungen finden keine risikoadäquaten Anlagemöglichkeiten mehr. Die EZB ist auf dem Irrweg.“
„Zeichen von enormer Nervosität“
Otmar Lang ist Chefökonom der Targobank: „Mit ihren heute verkündeten Maßnahmen ist die EZB ihrem monetären Kurs extrem treu geblieben. Allerdings zeugt das große Bündel an Maßnahmen von einer enormen Nervosität seitens der obersten Währungshüter. Denn auch sie müssen sich eingestehen, dass ihre Geldpolitik bislang die Wirkung verfehlt hat.“
„Geldpolitischer Hebel nicht ausreichend“
Stephen Yeats ist EMEA Head of Fixed Income Beta bei State Street Global Advisors: „Die Änderungen im Quantitative Easening-Programm und die neuen geldpolitischen Aktivitäten der EZB zeigen, dass eine stärkere Ausschöpfung existierender geldpolitischer Hebel nicht ausreicht, um etwas in der wirtschaftlichen Realität der Euro-Zone zu bewirken.“
„Die EZB könnte den Markt enttäuschen“
Patrick O’Donnell ist Investment-Manager bei Aberdeen Asset Management: „Die Maßnahme, Coroporate Bonds über den Bankensektor hinaus aufzukaufen, könnte interessant sein, aber wir wissen noch nicht genau was man kaufen wird und wie viel davon. Das Risiko besteht darin, dass die EZB sich dafür entscheidet, weniger aufzukaufen als der Markt von ihr erwartet.“
Von: Christian Hilmes
Quelle: DAS INVESTMENT.