Das Investment: „Europa wandelt sich zur Romanischen Schuldenunion“

sjb_werbung_das_investment_300_200

Da Italien einmal mehr keine Regierung findet, kommt es spätestens im Herbst zu Neuwahlen. Baader-Bank-Chefanalyst Robert Halver erwartet, dass die Populisten dann als italienische Version vom Yanis Varoufakis mit Italexit drohen, wenn Brüssel ihre Neuschuldenforderungen nicht bewilligt. Bei Neuwahlen in Italien werden die 5 Sterne-Bewegung und die Lega Nord den Euro-feindlichsten und Schulden-freundlichsten Wahlkampf aller Zeiten führen: Macht Europa kaputt, das Euch kaputt macht. Die Populisten werden der EU und dem Spardiktator Deutschland die alleinige Schuld an der italienischen Perspektiv- und Arbeitslosigkeit geben. Solche platten Anschuldigungen scheinen zu verfangen. Laut aktuellen Umfragen kann das Populistenbündnis bei den Neuwahlen eine klare Mehrheit erzielen. 

Die Populisten wollen Italiens Wirtschaft mit massiv neuen Schulden retten. Italien kann eben seine Wettbewerbsfähigkeit nicht mehr wie früher ohne eigene Anstrengung einfach durch Abwertung der Lira steigern. Dass der Stiefel die Jahrtausendchance verpasst hat, mit den günstigsten Zinsen seit Julius Cäsar Schuldenabbau und Standortverbesserungen zu betreiben, hat in der populistischen Verschwörungstheorie ohnehin keinen Platz. Schuld sind immer die anderen. Und da mittlerweile bei mehr als der Hälfte der Italiener das Herz für Europa nicht mehr rund schlägt, ist bei ihnen Reformpolitik so unverkäuflich wie bei uns Diesel-Pkws mit Euronorm kleiner sechs.

Deutschland sollte nicht den Moralapostel spielen

Die Bundesregierung sollte nicht stabilitäts-selbstgerecht auf Italien herabschauen. Auch sie hat es sträflich versäumt, die historisch günstigen und sogar negativen Kreditzinsen für umfangreiche Investitionen in Straßen, Bildung, Digitalisierung und Steuersenkungen zu nutzen. Dabei hätten auch Unternehmen und Arbeitnehmer aus anderen EU- und Euro-Ländern vom deutschen Wirtschaftswachstum profitiert. Dies wäre also ein wertvoller deutscher Beitrag für den europäischen Wirtschaftsfrieden gewesen.

Entweder Anfang der Schulden- oder Ende der Europäischen Union

Die populistischen Parteien wollen nicht nur spielen, sie meinen es ernst. Sie zeigen sich von den Ermahnungen der EU, die Stabilitätskriterien einzuhalten, so wenig beeindruckt wie Pubertierende von der Bitte der Eltern, das Kinderzimmer aufzuräumen. Im Gegenteil, sie werden als italienische Version von Varoufakis mit Italexit drohen, wenn Brüssel ihre Neuschuldenforderungen nicht bewilligt.

Die EU könnte zwar harte wirtschaftliche und finanzielle Sanktionen verhängen und Italien den Ast absägen, auf dem es sitzt. Bei Abschied aus Europa wäre das Land von den europäischen Fleischtöpfen ausgeschlossen.

Doch dieses laute Löwengebrüll der EU entpuppte sich schnell als zahmes Miauen eines kastrierten Katers. Der Italexit ist im Gegensatz zum Grexit der politische Super-GAU, der das gemeinsame europäische Haus zerstört. Aber warum sollte Europa seinen finalen Kollaps riskieren, der uns im geostrategischen Machtkampf mit den USA, China und Russland zu willfährigen Ochsen macht? Übrigens, Italien kann mit dem Flüchtlingstrumpf wuchern: Kommt Ihr Stabilitätsländer uns in Schuldenfragen nicht massiv entgegen, kommen die Migranten massiv zu Euch.

Italien hat im Vergleich zu Brüssel die besseren Karten. Also wird die EU kein Exempel am Stiefel statuieren. Die letzten Stabilitätshüllen werden der Schulden-FKK geopfert. Zum Erhalt der europäischen Idee hat die EU immer schon Gnade vor Recht ergehen lassen. Auch sollen die Italiener doch bitte weiter unsere deutschen Exportschlager kaufen.

Damit Italien die Eurozone aushält, zementiert die EZB ihre Nullzinspolitik

Schon jetzt ist der italienische Schuldenberg so groß, dass er unter normalen Zinsbedingungen nicht mehr bedient werden kann. Der kürzliche Anstieg des Risikoaufschlags 10-jähriger italienischer zu deutschen Staatsanleihen und der Schwächeanfall des Euros spiegeln bereits die wachsende Sorge über die Kreditfähigkeit Italiens wider.

Vor allem französische, aber auch deutsche Banken haben Italien insgesamt ca. 560 Milliarden Euro geliehen. Würde das Land unter seiner Schuldenlast zusammenbrechen, fallen diese Gläubiger um wie Fliegen nach Giftspray. Da hilft auch kein Rettungsfonds mehr.

Und dann wird der Anleihe-Terminmarkt dafür sorgen, dass der italienische Krisenvirus zügig auf die anderen üblichen Schulden-Verdächtigen übergeht. Am Ende würde Europa seinen finalen Kampf gegen die Schuldenkrise verlieren.

Zur Verhinderung dieses Schlaganfalls in der Euro-Finanzwelt wird die EZB mit ihrem Blutverdünner die Halsschlagader der italienischen Anleihemärkte von schädlichem Schulden-Cholesterin freihalten (müssen). Die EZB ist gezwungenermaßen die Intensivstation für die italienische Finanzpolitik. So viel zum Thema Unabhängigkeit der Notenbank.

Nichts ist so mächtig wie eine (Schulden-)Idee, deren Zeit gekommen ist

Der Teufelskreis dieser Schuldenpolitik wird einfach ignoriert. Wenn die Regierung in Rom zu Schnäppchenpreisen viele neue Staatsschulden machen darf, gibt es noch weniger Anreize, dringend notwendige Reformhausaufgaben zu erledigen. Dann werden Unternehmen der Reformwüste Italien noch mehr den Rücken kehren. Wird insofern die Wirtschaftslage noch schlechter, müssen noch mehr Staatsschulden gemacht werden, die weiter gebilligt und von der EZB finanziert werden, was die Regierung veranlasst, noch weniger Reformen zu machen.

Im Übrigen gilt gleiches Schulden-Recht für alle. Warum sollten Portugal oder Spanien dann aber noch Reformhausaufgaben machen, die das Risiko der eigenen Abwahl erhöhen. Im Grunde ist man doch in vielen Euro-Ländern froh, dass Italien den Stabilitätsbann bricht. Die EU gewährt neue Schulden und die EZB finanziert sie.

Europa wird sich nach einer kurzen Zeit der Stabilitäts- final in eine Romanische Schuldenunion verwandeln. Das ist der Preis der verstärkten Europäischen Integration. Damit mag Europa nach außen glänzen wie ein polierter Apfel. Aber wirtschafts- und finanzpolitisch ist der Wurm drin.

Aber wahrscheinlich wird man das in Brüssel noch als Bio verkaufen.

Von: Autor Rober Halver. Er leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank in Frankfurt.

Quelle: Das Investment

Siehe auch

FondsProfessionell: Stimmen zur Fed: “Aktienmarkt findet Auslöser für Korrektur”

Die US-Notenbank Fed senkt wie erwartet zum dritten Mal in Folge die Zinsen. Doch die Währungshüter rücken nun die Inflation wieder in den Fokus – die Finanzmärkte reagieren mit Kursverlusten. Wie Investmentprofis den Kursschwenk der Fed beurteilen. Die US-Notenbank hat das geldpolitische Jahr zwar mit einer dritten Zinssenkung in Folge beendet, dabei jedoch am Mittwoch …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert