Das Investment: ESMA hat entschieden: So ist Product Governance im Mifid II geregelt

sjb_werbung_das_investment_300_200

Die europäische Finanzaufsicht ESMA hat nun das Thema Product Governance im Mifid II endgültig geregelt. Was sich im Vergleich zu den älteren Fassungen ändert und welche Bestimmungen nun ab dem 3. Januar 2018 gelten werden, erklärt Rechtsanwalt und Regulierungsexperte Christian Waigel.

Was lange währt wird endlich gut, zumindest besser. Der Final Draft der ESMA zu Product Governance vom 2. Juni 2017 enthält einige Klarstellungen. Das gilt für die Zielmarktkategorien, die Anwendung durch Vertreiber, vor allem für das beratungsfreie Geschäft und das execution only Geschäft, als auch den Portfoliogedanken bei der ganzheitlichen Beratung von Portfolien und im Rahmen der Finanzportfolioverwaltung.

Es bleibt beim Starttermin 3. Januar 2018. Es kommt zu keiner Verschiebung mehr, innerhalb des nächsten halben Jahres müssen die Systeme und die organisatorischen Vorkehrungen für Product Governance erstellt werden.

An der Betroffenheit ändert sich nichts. Durch Product Governance werden die „Manufacturer“ (Emittenten) verpflichtet, das heißt Wertpapierfirmen, die Finanzinstrumente konzipieren, das umfasst die Schaffung, Entwicklung, Begebung oder Gestaltung von Finanzinstrumenten. Als so genannte „Distributor“ erfasst die ESMA die Firmen, die Wertpapiere anbieten, empfehlen oder verkaufen (Vertreiber).

Die Zielmarktkriterien ändern sich, weil die ESMA die beiden Kriterien Kundenziele und Kundenbedürfnisse zu einem Kriterium zusammenfasst. Es verbleiben daher fünf Zielmarktkriterien: Kundenart, Kenntnisse und Erfahrungen, finanzielle Situation mit dem Fokus auf Verlusttragfähigkeit, Risikotoleranz und Vereinbarkeit des Risiko-/Rendite-Profils des Produkts mit dem Zielmarkt sowie Kundenziele und Kundenbedürfnisse.

Verallgemeinerung der Zielmarktkategorien
Erfreulicherweise erlaubt die ESMA für bestimmte Investmentprodukte eine Verallgemeinerung der Zielmarktkategorien. Als Beispiel nennt sie Investmentprodukte, die einer bestimmten Benchmark folgen oder an einem bestimmten Börsensegment gelistet sind. Damit bestünde die Möglichkeit, auch für bestimmte Fonds-Gattungen oder zum Beispiel für Dax-Aktien, einheitliche Zielmarktkriterien anzuwenden.

Die ESMA macht deutlich, dass die Verpflichtungen aus Product Governance neben den Verpflichtungen zum Suitability-Test und zum Appropriate-Test stehen. Letztgenannte können die Product Governance Verpflichtungen nicht substituieren. Die Definition der Zielmärkte und der Vertriebsstrategie sollen sicherstellen, dass Produkte letztendlich an den für sie vorgesehenen Zielmarkt vertrieben werden.

Nach wie vor erwartet die ESMA von den Vertreibern eine eigene Zielmarktdefinition, die den allgemeinen Zielmarkt des Emittenten konkretisieren soll. Dabei sollen die Vertreiber ihre bessere Kenntnis von den Kunden nutzen, und zwar im Sinne einer Konkretisierung der Zielmärkte auf Basis der von den Emittenten vorgegebene Zielmärkte. Dazu haben die Vertreiber eine gründliche Analyse ihrer Kundenbasis vorzunehmen.

Entsprechend ist bei den Vertreibern ein eigener Prozess zu implementieren. Die Vertreiber sollen nicht von den grundsätzlichen Entscheidungen der Emittenten für die Zielmärkte abweichen. Gerade hier setzt aber die ESMA auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Je komplizierter ein Produkt ist, je intensiver der Überprüfungsprozess der Vertreiber für die von den Emittenten vorgegebenen Zielmärkte.

Im Gegenzug darf der Prozess aber auch weniger intensiv sein, wenn es sich um einfache und weitverbreitete Produkte handelt. Kommt am Ende des Prozesses der Vertreiber zu dem Ergebnis, dass der Zielmarkt des Emittenten nicht überarbeitet werden muss, kann der Vertreiber den Zielmarkt des Emittenten übernehmen.

Damit ist die Tür aufgestoßen, um für Massenprodukte branchenweite Standards zu implementieren, wie zum Beispiel für UCITS-Fonds oder Standardaktien, bei denen dann die Vertreiber die Zielmarktdefinitionen der Emittenten übernehmen können. Die ESMA erlaubt sogar eine Zusammenarbeit zwischen Emittenten und Vertreibern, damit diese gleichzeitig den Emittenten-Zielmarkt und den Vertreiber-Zielmarkt festlegen können, sogar in einem gemeinsamen und gleichzeitig durchgeführten Verfahren. Gleichzeitig gesteht die ESMA ausdrücklich zu, dass für einfache und weitverbreitete Produkte die Definition des Vertreiber-Zielmarkts nicht notwendigerweise zu einer Abweichung von dem Emittenten-Zielmarkt führen muss.

Für das beratungsfreie Geschäft und execution only Dienstleistungen erkennt die ESMA ausdrücklich an, dass ein vollständiger Zielmarktabgleich mit Kundenprofilen nicht möglich ist. In diesen Fällen erwartet die ESMA eine besondere Berücksichtigung der von den Emittenten in den Zielmärkten festgelegten Vertriebsstrategien.

In der Praxis wird es daher schwierig werden, execution only Dienstleistungen für Produkte anzubieten, für welche die Emittenten eigentlich einen Beratungsverkauf als adäquaten Vertriebsweg festgelegt haben. Es dürfte aber möglich werden, für risikoarme Fonds und Standardwertpapiere das beratungsfreie Geschäft oder execution only Dienstleistungen für weite Kundengruppen zuzulassen.

Im Falle einer Beratung, einer aktiven Vermarktung oder im Falle der Finanzportfolioverwaltung erwartet die ESMA stets einen detaillierten Zielmarktabgleich.

Erfreulicherweise verankerte die ESMA ausdrücklich den Portfoliogedanken. Im Falle einer Anlageberatung für ein Portfolio oder im Falle einer Finanzportfolioverwaltung lässt die ESMA Verkäufe außerhalb des Zielmarkts zu, soweit das Portfolio als Ganzes für den Kunden geeignet bleibt. In diesen Fällen besteht dann auch keine Verpflichtung, diese Verkäufe als außerhalb des Zielmarkts liegend, an den Emittenten zu melden.

Die Verpflichtung zur Zielmarktdefinition durch Vertreiber besteht auch dann, wenn der Emittent selbst keine Zielmarktdefinition vornimmt, zum Beispiel weil er nicht der Mifid II unterliegt. Sind in diesen Fällen die Informationen zu dem Wertpapier nicht öffentlich verfügbar, erwartet die ESMA eine Vereinbarung zwischen Vertreiber und Emittenten, um sich diese Informationen zu besorgen. Für einfache und weitverbreitete Produkte, wie zum Beispiel normale Aktien, erwartet die ESMA aber eine solche Vereinbarung nicht.

Auf Basis dieser Grundlage kann die Branche mit der Umsetzung beginnen. Es liegt viel Arbeit vor allen Beteiligten, um das verbleibende halbe Jahr zu nutzen.

Von: Christian Waigel
Quelle: Das Investment

Siehe auch

Fundview: Sammy Suzuki fährt China-Übergewicht in Schwellenländer-Fonds

Der Head of Emerging Markets Equities bei AllianceBernstein zeigt sich gegen den aktuellen Trend optimistisch für China-Aktien und hält entsprechend ein Übergewicht in seiner Low-Vol-Strategie. Neben China wird derzeit auch ein Übergewicht in den Vereinigten Arabischen Emiraten gehalten. Viele westliche Investoren haben in den vergangenen Wochen und Monaten chinesische Aktien aus ihren Portfolios gestrichen. Nicht …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert