SJB | Korschenbroich, 02.09.2014. Über eine Million Anleger halten Anteile am DWS Vermögensbildungsfonds I. Die ganz großen Zeiten sind beim Volks-Fonds aber vorerst vorbei. 2013 übernahm Andre Köttner den milliardenschweren Aktienfonds von Klaus Kaldemorgen – und krempelte ihn um. Zeit, Bilanz zu ziehen.
DAS INVESTMENT.com: Sie waren 17 Jahre lang bei Union Investment tätig. Was hat Sie im vergangenen Jahr zum Wechsel zur DWS, der heutigen DeAWM, bewegt?
Andre Köttner: Ich war jahrelang bei Union Investment für den globalen Aktienfonds Uni Global verantwortlich. Wenn man in Frankfurt in der Asset-Management-Industrie bleiben möchte, kommen nicht mehr viele andere Jobs infrage.
Eigentlich gibt es nur einen anderen globalen Aktienfonds mit vergleichbarer Aufgabe und Verantwortung: den Vermögensbildungsfonds I der DWS. Entsprechend ist die Aufgabe eine ähnliche, allerdings haben mich das neue Umfeld, die neue Unternehmenskultur und Mitarbeiter gereizt. Dadurch bekomme ich neue Impulse und kann mich persönlich weiterentwickeln.
Im März 2013 haben Sie den DWS Vermögensbildungsfonds I übernommen und das Portfolio umgekrempelt. Ist das nicht ein eher ungewöhnlicher Schritt nach einem Managerwechsel?
Generell bin ich ein Fondsmanager, der Einzelpositionen im Portfolio länger hält. Meine Turnover Rate pro Jahr liegt bei 20 bis 30 Prozent. Aktien halte ich in der Regel für drei bis fünf Jahre. Warum ich dennoch das Portfolio des DWS Vermögensbildungsfonds I geändert habe?
Meiner Meinung nach soll ein Manager jeden Tag von seinem Portfolio überzeugt sein. Insofern galt es, das Portfolio zügig umzubauen, damit es meine Überzeugungen widerspiegelt. Letztendlich habe ich in den ersten vier Wochen nach meinem Antritt mehr als die Hälfte des Portfolios ausgetauscht.
Wäre ein Kaufen und Verkaufen über einen längeren Zeitraum nicht marktschonender?
Da das Fondsvolumen vom DWS Vermögensbildungsfonds I bei rund 6 Milliarden Euro liegt, muss man tatsächlich auf einen marktschonenden Kauf und Verkauf achten. Wäre dieser Punkt egal, hätte ich das Portfolio vermutlich in zwei Tagen umbauen können.
Gleichzeitig darf die Umbauphase nicht zu lange dauern, da sich so etwas im Markt herumspricht. Findige Akteure positionieren sich dann auf Aktien, die ich kaufen möchte, weil sie sich Gewinne versprechen.
Was unterscheidet Sie vom früheren Fondsmanager Klaus Kaldemorgen?
Mein Fokus liegt auf der Auswahl der Geschäftsmodelle. Bin ich von einem Unternehmen überzeugt, halte ich dessen Aktie über einen langen Zeitraum. Klaus Kaldemorgen indes managte den Fonds top-down. Auch verfolge ich nicht wie er eine vermögensverwaltende Strategie und bin immer voll investiert. Cash-Positionen nutze ich nicht fürs Markt-Timing.
Ich habe auch keine Meinung zu Währungen. Deshalb entsprechen die Anteile der einzelnen Währungen im Portfolio stets der Allokation im MSCI World. Ein weiterer Unterschied ist, dass ich 160 Aktien-Positionen im Portfolio habe, während Klaus Kaldemorgen meist zirka 80 Titel hielt.
Warum mehr?
Ich bin überzeugt, dass es gerade im mittelgroßen Segment viele Chancen gibt. Ich möchte mir aber nicht die Kurse selbst machen, was bei der Größe des Fonds in diesem Segment durchaus passieren könnte. Ich kaufe daher nur Aktien, bei denen ich die angestrebte Position in fünf Tagen auf- und abbauen kann und dabei maximal 20 Prozent des gehandelten Volumens ausmache.
Daher ist mein Portfolio breit diversifiziert. Das ist wesentlicher Bestandteil des Risikomanagements. Dabei bewege ich das Portfolio so, dass kein Land eine Über- oder Untergewichtung von 5 Prozent zum MSCI World hat. Gleiches gilt für die Sektoren-Gewichtung. Ausnahme ist nur die Bandbreite von plus und minus 10 Prozent bei den USA.
Der Wechsel von Klaus Kaldemorgen auf Sie war für Anleger wegen der unterschiedlichen Investmentansätze wie ein Verkauf und Kauf eines neuen Fonds. Gab es eigentlich stärkere Mittelabflüsse aus dem Fonds?
Abflüsse gab es beim DWS Vermögensbildungsfonds I schon länger. Das hielt noch einige Monate nach dem Wechsel an. Ich bin nach Antritt zu vielen der größeren Investoren gefahren und habe meine Investmentphilosophie vorgestellt. Bis zum Jahresende 2013 verzeichnete der Fonds dann wieder Zuflüsse, die die Abflüsse aus der ersten Jahreshälfte ausglichen.
Oft ist zu hören, dass Aktien mittelgroßer Unternehmen überteuert sind. Finden Sie einzelne Aktiensegmente zu teuer?
Ich halte nichts von solchen Pauschalaussagen. Ein genauerer Blick auf die Einzeltitel im M-Dax oder Dax zeigt, dass die Kurse einiger Indexteilnehmer an ihrem Allzeithoch stehen, während andere relativ stark zurückgeblieben sind. Erst eine detaillierte Einzeltitelbetrachtung erschließt, was teuer oder preiswert ist.
Mir sind vor allem fünf Kriterien bei der Titelauswahl wichtig: die Zukunftsfähigkeit eines Geschäftsmodells, die Qualität des Managements, die Fähigkeit aus eigener Kraft zuwachsen, eine konservative Bilanzierung und zuletzt muss die Bewertung stimmen.
Ein Beispiel?
Nehmen Sie das US-Unternehmen Colgate. Der Zahncreme-Hersteller hat in nahezu jedem Land der Welt eine dominante Marktstellung, der Marktanteil liegt meist zwischen 30 und 80 Prozent. Die Kapitalmarktrendite ist sehr hoch, der Käufer von Zahncreme ist nicht preissensibel und wechselt nicht allzu häufig die ihm vertraute Marke. Auch ist es eher unwahrscheinlich, dass eines der großen globalen Unternehmen auf die Idee kommt, im Zahnpasta-Geschäft mitmischen zu wollen.
Insgesamt ist der Markt stabil, da es sich beim Zähneputzen um ein Grundbedürfnis handelt. Gleichzeitig gibt es noch Wachstum in den Schwellenländern. Das Management ist gut, und die Zahlen sind stimmig. All das gefällt mir. Nur, diese Qualität hat ihren Preis.
Volks-Fonds zurück auf der Erfolgsspur
Die Rendite beim DWS Vermögensbildungsfonds I lässt sich in Markt- (MSCI World) und Fondsrendite aufspalten. Letztere erzielt ein Manager durch aktives Fondsmanagement. Oft verringerte Klaus Kaldemorgen (bis März 2013) die Marktrendite (graue Balken im Negativbereich). Bei der Information Ratio des DWS-Fonds sieht es wieder besser aus. Es bedeutet, dass Andre Köttner mehr Fondsrendite für das eingegangene Fondsrisiko rausholt.
Von: Ansgar Neisius
Quelle: DAS INVESTMENT.