Das Investment: Warum und wie Donald Trump den Welthandel aufmischt

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Wieder einmal belegt ein US-Präsident exportstarke Länder mit Strafzöllen auf Stahl. Das ging vor einigen Jahren schon mal in die Hose. Ein eventueller Handelskrach mit China und der EU könnte am Ende aber auch etwas Gutes haben Neulich auf Twitter: „Die EU will auf Trumps Schutzzölle mit Zöllen auf amerikanische Jeans, Bourbon und Harley Davidson reagieren. Der arme Peter Maffay“, witzelt das Satiremagazin „Extra-3“ Anfang März. Dann geht der Stress erst richtig los.

Denn US-Präsident Donald Trump macht Stahlnägel mit Köpfen. Er verordnet auf importierten Stahl einen Strafzoll von 25 Prozent und auf Aluminium 10 Prozent. Wobei er nicht sehr einheitlich vorgeht. Die Europäische Union bleibt mindestens bis Ende April verschont. Und auch Südkorea hat ihm eine Sonderbehandlung abgetrotzt. Der selbsternannte Deal-Maker bei der Arbeit. Wie es genau weitergeht, weiß keiner. Immerhin zeigen sich alle gesprächsbereit, um die in der Tat nicht ganz ausgewogen erscheinenden Zollsysteme mal durchzugehen. Schließlich liegt der EU-Zoll für Importe bei durchschnittlich 5,2 Prozent, der der USA bei 3,5 Prozent. Kann man ungerecht finden. Ein Ziel hätte Trump also schon mal erreicht.

Wobei nicht ganz klar ist, was sich nun genau in seinem Kopf abspielt. Zumindest offiziell will er die heimische Wirtschaft schützen und zudem das chronische Handelsdefizit abbauen. Das entsteht dadurch, dass die USA seit Jahrzehnten mehr Waren einführen als sie exportieren. Das nötige Geld holen sie sich gegen Anleihen von den Anlegern der Welt, also auf Pump.

Doch ist es nur dieses Defizit, das Trump stört? Nun geht das große Deuten los. Wenn er wirklich die heimische Metallindustrie schützen will, dürften Strafzölle das falsche Mittel sein. So befasste sich die am Flossbach von Storch Research Institute beschäftigte Volkswirtin Agnieszka Gehringer mit einer ähnlichen Maßnahme aus den Jahren 2002 und 2003, damals noch unter George W. Bush. „In Folge der Handelsbarrieren sanken die US-Stahlimporte um rund 5 Prozent, sodass das Handelsdefizit der Stahlindustrie um 28 Prozent fiel“, schreibt Gehringer in ihrem Bericht. Und tatsächlich zog das Wirtschaftswachstum in den USA in dieser Zeit kräftig an. Wobei das auch daran gelegen haben kann, dass die lange Rezession ganz einfach vorbei war.

GRAFIK: Die USA wollten schon einmal ihren Stahl-Import drosseln
2002 und 2003 versuchten die USA unter Präsident George W. Bush schon einmal, über Zölle den Stahl-Import zu drosseln. Nachdem das wieder vom Tisch war, zogen die Importe ab 2004 erst so richtig an.

Wegen der Zölle gab es Ärger mit der Welthandelsorganisation (World Trade Organization, kurz WTO). Daraufhin durfte die EU mit eigenen Zöllen kontern. Am Ende lenkten die USA ein, prompt gingen die Stahlimporte erst so richtig durch die Decke (Grafik). Es war also ein reiner Einmaleffekt.

Inzwischen zeichnet sich ab, dass sich Trump vor allem mit China anlegen will. Und auch dazu gibt es eine Parallele in der Geschichte. So erinnert der Chef der Investmentanalyse der VP Bank, Bernd Hartmann, an die 80er Jahre. Damals hatte Präsident Ronald Reagan die konkurrierende Wirtschaftsmacht Japan auf dem Kieker. Deren Autokonzerne hatten den US-Autoherstellern das Leben schwergemacht. Also verhängte Reagan Zölle und verlangte von Japan, dass es freiwillig weniger Autos exportierte. Tokio gab nach und vermied damit einen ausgewachsenen Handelskrieg.

GRAFIK: Der Handel der USA mit China wächst seit Jahren stark
Die enormen Importe aus China und das riesige Handelsdefizit sind US-Präsident Donald Trump ein Dorn im Auge. Ein Handelsdefizit entsteht, wenn ein Land mehr Waren importiert als exportiert.

Und heute? Im Zentrum stehen das Handelsdefizit der Amerikaner, Chinas möglicher Aufstieg zur größten Wirtschaftsmacht und dessen Praktik, die eigene Währung billig zu halten und sich im Tausch gegen Marktzugang Wissen ausländischer Unternehmen zu sichern. Also Zölle verhängen, mehr Fairness fordern und fertig? Nicht so einfach. Denn China hält derzeit US-Staatsanleihen im Wert von mehr als 12 Billionen Dollar, ist also Gläubiger Nummer 1. Und wenn es keine große Lust mehr verspürt, neue zu kaufen, bekommt Trump seine eine Billion Dollar schwere Steuerreform nur noch zu sehr saftigen Zinsen finanziert.

Hinzukommt, dass China wichtiger Lieferant für Bauteile amerikanischer Produkte, zum Beispiel iPhones, ist. Im Gegenzug landet heute jedes vierte verkaufte Apple-Telefon in China. Beide Länder verbindet ein seit Jahren gewachsener intensiver Handel, in dessen Getriebe Trump nun Sand streut. Peking hat bereits eine Liste erstellt, welche Produkte man seinerseits verzollen will. Darunter Schweinefleisch, gewalzte Stahlrohre, Früchte und Wein. Weiter infrage kommen laut Agnieszka Gehringer US-Branchen, die Handelsüberschüsse verzeichnen. Dazu gehören unter anderem – wen wundert’s? – Waffen, Militärfahrzeuge, Flugzeuge und Landwirtschaftsprodukte. Entweder gibt es ein Armdrücken der beiden – oder eine Lösung am runden Tisch (Anmerkung vom 3. April 2018: Angesichts der von China verhängten Konterzölle sieht es derzeit nach Armdrücken aus).

Zölle verteuern Waren künstlich. Damit haben sie mindestens zwei Effekte: Die Nachfrage sinkt, und die Kosten für Unternehmen oder Verbraucher steigen. Unternehmen können diese Kosten über höhere Produktpreise auf die Kunden umwälzen. Oder die eigene Marge schrumpft und damit auch der Gewinn. Das hängt davon ab, welchen Preis die Kunden zu zahlen bereit sind. Trumps Maßnahmen können somit im Extremfall also Preisschocks auslösen. Dann dürfte der übliche Ablauf greifen: Höhere Inflation treibt die Renditen für Staatsanleihen hoch, verteuert die Staatsschulden und setzt am Ende Trump unter Druck. Allerdings könnten die kassierten Zölle helfen, die Schuldenlast zu senken. Am Aktienmarkt spielen Anleger das Szenario mit den sinkenden Unternehmensgewinnen schon durch, was zu den Kurseinbrüchen führte.

Jasper Finke hält es sogar für möglich, dass die USA aus der WTO austritt, wenn diese wieder wegen der Zölle Ärger macht. Auch die EU könnte einen Grund bekommen, die WTO nicht mehr sonderlich zu mögen, so der Europa-Rechtler in einem Beitrag im „Manager Magazin“. Denn die WTO schränke das Recht empfindlich ein, den Amerikanern über eigene EU-Zölle eine Retourkutsche zu verpassen. Dann gibt es drei Möglichkeiten: es akzeptieren, die WTO renovieren oder sie verlassen. Im letzteren Fall könnte der Handelsverbund ohne EU und USA wahrscheinlich einpacken.

GRAFIK: Blühender Handel weltweit
Als 1994 die Handelsvereinigung WTO gegründet wurde, zog der weltweite Handel kräftig an. Der weltweite Wohlstand nahm dadurch zu.

Dabei steht außer Frage, dass die WTO seit ihrem Gründungsjahr 1994 einen großen Beitrag zum blühenden Welthandel geleistet hat. Stichwort: Globalisierung (siehe Grafik). Und der wiederum hat zweifellos den weltweiten Wohlstand erhöht.

GRAFIK: Arbeitslosenquote bleibt in der Spanne
Der stark gewachsene Welthandel hat nicht automatisch zu mehr Beschäftigung geführt. Die Arbeitslosenquote in den fortgeschrittenen Ländern (nach IWF-Definition) ist nicht dauerhaft gesunken.

Trotzdem ist die WTO umstritten. Denn offenbar ist der vermehrte Wohlstand zum größten Teil in wenige Taschen der oberen Schichten geflossen. Das legen diverse globale Vermögensstatistiken und der „Bericht zur weltweiten Ungleichheit“ nahe (siehe Grafik). Demnach wusste das bestverdienende eine Prozent in USA und Europa, seinen Anteil am – ohnehin wachsenden – Volkseinkommen auch prozentual seit WTO-Start besonders schnell auszubauen. Im Gegenzug zog die Produktion ab sofort noch schneller dorthin, wo die Löhne besonders niedrig sind. Was man dem Anteil der geringer Verdienenden am Volkseinkommen auch ansieht.

Ebenso werfen zahlreiche Verbände der WTO vor, Armut, Ausbeutung und Umweltzerstörung zusätzlich zu fördern. Und angesichts dessen, dass ein T-Shirt einmal um die ganze Welt fliegt, bevor es im deutschen Laden landet, ist da durchaus was dran. Wäre es also wirklich eine Katastrophe, wenn es die WTO nicht mehr gäbe?

GRAFIK: Wohlstand landet in wenigen Taschen
Die Grafik zeigt, dass vor allem nach der Gründung der Welthandelsorganisation WTO im Jahr 1994 das bestverdienende eine Prozent der Bevölkerung seinen Anteil am Gesamteinkommen kräftig ausweitete. Die Bevölkerungshälfte mit dem niedrigeren Einkommen hat dagegen kontinuierlich weniger Anteil am Nationaleinkommen. Das legt den Verdacht nahe, dass der durch die Globalisierung entstandene Wohlstand hauptsächlich in wenigen Taschen gelandet ist. Und das wiederum wirft die Frage auf, wem gehemmter Freihandel am meisten schadet. Vielleicht nur denen, den er zuvor am meisten brachte. Wirklich korrekt wird das aber niemand im Voraus sagen können.

Frischer Wind weht durch die internationalen Handelsgepflogenheiten. Fragt sich nur, ob er nur mal durchlüftet oder ob er alles umreißt. Ebenso unklar ist, wer gewinnt und verliert. Die Allgemeinheit ist es nicht zwangsläufig. Aber zweifellos beginnt sich gerade einiges zu bewegen. Durch Donald, den Deal-Macher.

Von: Andreas Harms

Quelle: Das Investment

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