Das Investment: „Die Crash-Propheten sollten Kochbücher schreiben“

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Der Börsensommer war hierzulande ziemlich enttäuschend. Für viele Schwarzmaler scheint er aber nur die Ouvertüre zu einem fast schon sehnsüchtig erwarteten Aktienzusammenbruch zu sein, wundert sich Robert Halver, Chefanalyst der Baader Bank.
Trump schwach, Euro stark und Lord Helmchen nervt
Der deutsche Sommer war nicht schön, auch nicht in puncto Aktien. Die Risiken gewannen die Oberhand. So konnten sich die Vorschusslorbeeren des Trumpschen Konjunkturwunders mit weltwirtschaftlicher Streuwirkung nicht ansatzweise materialisieren. Daneben nagte der starke Euro am Selbstverständnis deutscher Exportwerte.

Hinzu kam richtig schlechte geopolitische Stimmung: Kim Jong-un versuchte sich vom Lord Helmchen zum Darth Vader weiterzuentwickeln. Vor allem aber wurden ausgerechnet die geldpolitischen Sondereinsatzkommandos, die bislang jede Krise zum Wohle der Aktienmärkte besänftigten, mit einer ungewohnt falkenhaften Rhetorik zu Spielverderbern.

Wie viel Crash-Gefahr steckt im Dax? Angesichts dieses ernüchternden Hintergrunds verlor der DAX im Sommer-Blues zwischen Ende Juni und Ende August über 900 Punkte. Für viele Crash-Propheten scheint dies aber nur die Ouvertüre zu einem von ihnen fast schon sehnsüchtig erwarteten Aktienzusammenbruch zu sein.

Selbst Hokuspokus wird zum Argument
Sie argumentieren nicht zuletzt damit, dass sich die Aktienmärkte finanzhistorisch in einer übertriebenen, ungewöhnlich langen, mittlerweile neunjährigen Happy Hour befinden. Und auch Hokuspokus kommt nicht zu kurz: 2017 sei ein Siebener-Jahr, das vermeintlich als Aktien-Krisenjahr gilt.

Doch Totgesagte leben offensichtlich länger. Seit seinem Tiefpunkt liegt der deutsche Leitindex  wieder deutlich über 12.000 Punkten. Und auch der V-Dax New Volatility Index, der die Schwankungsbreite des Dax für die nächsten 30 Handelstage misst, zeigt Entspannung, ja, eine völlige Unaufgeregtheit.

Trotz vermeintlicher Krisen verläuft der V-Dax mit einem aktuellen Wert von unter 20 auf vergleichsweise bemerkenswert niedrigem Niveau. Bei der Asien-Krise Ende der 90er-Jahre, den Terroranschlägen in New York 2001, der Pleite der Lehman Bank 2008 oder während der Euro-Schuldenkrise waren Volatilitätszahlen von 40, 60, sogar 80 inklusive massiver Kurseinbrüche der Regelfall.

Ohne Geldpolitik ist alles nichts
Haben wir Aktionäre uns aufgrund der Inflation an Krisen mittlerweile viel Hornhaut zugelegt? Halten wir auch zukünftig die heißesten Krisen aus, sind wir hitzeunempfindlich, sozusagen cool? Dies erinnert mich an meine Großmutter, die auch die heißesten Kochtöpfe ohne Probleme anfassen konnte. Haben sich also die heiß gelaufenen Aktienmärkte nach dem heftigen reinigenden Sommergewitter wieder abgekühlt?

Oder muss in der nahenden Lebkuchen-Zeit doch noch mit Wiederaufnahme der schlechten Aktienstimmung gerechnet werden? Könnte die niedrige Volatilität sogar ein verdeckter Kontra-Indikator sein, ein Menetekel für einen zu heißen Aktien-Herbst? Bekommen die Crash-Propheten dennoch Recht?

Stinkend langweilig, aber wahr: Geldpolitik ist nicht alles, aber ohne Geldpolitik ist alles nichts. Bislang haben die Notenbanken wie im Schnellkochtopf den Druck der Krisen erfolgreich mit ihrem Gegendruck kompensiert. Der Innendruck mag noch so hoch sein, doch solange der Deckel obendrauf dicht hält, ist für die Finanzmärkte wenig zu befürchten. Bleibt es denn bei diesem Gegendruck?

Bei der Fed und ihrer Präsidentin Janet Yellen ist man über die konjunkturelle Entwicklung der USA desillusioniert. Der über den grünen Klee gelobte US-Arbeitsmarkt glänzt bei näherem Hinschauen nur durch die glanzlose Zahl neugeschaffener Billigjobs. Und die Suche nach der Inflation entspricht der Suche nach dem Bernstein-Zimmer.

Trump liefert immer noch genauso wenig wie ein Pizzabote, der keinen Sprit in seiner Vespa hat. Auch die Hurrikans Harvey und Irma werden Wachstum kosten. Und wenn man sich gleichzeitig vor Augen führt, dass Studenten-, Auto-, Hypotheken- und Wertpapierkredite sowie Kreditkartenverbindlichkeiten entweder schon neue Rekorde erklommen haben oder nicht mehr weit davon entfernt sind, wird die US-Notenbank den Teufel tun und weitere Zinserhöhungen vornehmen. Mit diesem Fehler hat die Fed schon einmal eine Schuldenkrise losgetreten. Damals war dieser wegen Unkenntnis der Folgen noch verständlich, heute wäre er dämlich.

Die Fed-Präsidentin – eine sowieso im Fell gefärbte geldpolitische Super-Taube – wird keine schlafenden Rezessions- und Kredit-Hunde wecken. Die geldpolitischen Schlafmittel der gleichzeitig weißhaarigen und weisen Dr. Yellen werden die Aktienmärkte beruhigen.

Verdirbt Draghi den Appetit auf Aktien?
Auch die Eurozone ist kein Schulden-Waisenkind. Die überbordende Staatsverschuldung z.B. in Italien kann EZB-Präsident Mario Draghi ebenso wenig übersehen wie unsereins derzeit die Wahlplakate auf dem Weg zur Arbeit. Soll er etwa den italienischen Stiefel sehenden Auges zuerst in den Finanz- und dann in den Sozial-Kollaps führen? Nein, er wird weiter den geldpolitischen Stiefelknecht spielen.

Überhaupt befindet sich die Exportwelt in einem Währungsabwertungswettlauf. Draghi wird den Exportkonkurrenzländern durch einseitige geldpolitische Restriktion – die Fed hält sich ja zurück – und damit Aufwertung der Gemeinschaftswährung nicht den Außenhandels-Weg frei machen. Darüber werden sich deutsche Exportwerte ähnlich freuen wie meine Katzen über ihr Dosenfutter mit Fisch.

Zinsvermögen so attraktiv wie Spinat für Kleinkinder
Anlagestrategisch heißt das weiterhin: Zinsvermögen ist und bleibt so attraktiv wie Spinat für Kleinkinder. Der Anlagenotstand bleibt ein Treiber der Aktienmärkte. Natürlich kann niemand Krisen oder schwarze Schwäne an den Finanzmärkten ausschließen. Aber die Geldpolitiker werden sie nicht auslösen. Eher vermischen sich Öl und Wasser! Selbst wenn irgendwann der Einstieg in den Ausstieg kommen sollte, wird es kein wirklicher geldpolitischer Umstieg sein. Worte von Notenbankern sind noch keine Taten von Notenbankern. Geldpolitiker sind eben auch nur Politiker.

Diese Notenbankpolitik hat selbstverständlich nichts, aber auch gar nichts mit der guten alten Stabilität einer deutschen Notenbankkultur zu tun. Leider kommt diese auch nicht mehr zurück, sie ist für immer ausgewandert, in der Eurozone hat sie sogar Hausverbot. Dieser Zeit nachzutrauern ist genauso sinnlos wie sich zu wünschen, noch einmal 20 zu sein, wenn man 21 aufwärts alt ist.

Man muss sich mit den Tatsachen abfinden, die heute in der Finanzwelt vorherrschen und sich nicht mit jenen beschäftigen, die man gerne hätte. Man muss sich mit ihnen arrangieren, das Beste daraus machen. Das ist persönliche Realpolitik, auf der sich auch eine regelmäßige und nachhaltige Aktienstrategie, z.B. mit regelmäßigen Ansparplänen, gründen sollte.

Konsolidierungen ja, Crash nein. Anstatt über den Crash zu schreiben, sollten es die Crash-Propheten lieber mit Kochbüchern versuchen.

Von: Robert Halver
Quelle: Das Investment

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