Das Investment: „Die vielleicht einzige Chance, ein Provisionsverbot zu verhindern”

sjb_werbung_das_investment_300_200

Matthias Beenken, Professor für Betriebswirtschaftslehre und insbesondere Versicherungswirtschaft an der Fachhochschule Dortmund, über den Provisionsbegrenzungsvorschlag der Bafin, die möglichen Folgen für den Markt und die schwindende Geduld der Politik mit der Branche. DAS INVESTMENT: Die Bafin hat konkrete Vorschläge für die Begrenzung der Provisionen in der Lebensversicherung gemacht: Maximal 2,5 Prozent der Beitragssumme sollen Lebensversicherer künftig als Provisionen an den Vertrieb weitergeben dürfen. Für Vermittler mit geringer Kündigungsquote, wenig Beschwerden und zufriedenen Kunden können da oben drauf noch weitere 1,5 Prozent kommen. Wenn das so kommt: Welche Auswirkungen hätte das auf einzelne Makler und Vermittler?

Matthias Beenken: Eine deutliche Mehrheit der Makler und Mehrfachvertreter sowie eine Minderheit der Ausschließlichkeitsvertreter liegt mit der Abschlussvergütung zumindest über 25, teilweise über 40 Promille. Dem Bafin-Vorschlag zufolge wäre es zwar nicht ausgeschlossen, dass diese Vergütungen weiter gezahlt werden, aber dies müsste sehr gut begründet werden. Meines Erachtens lässt sich das nur mit einem weiteren deutlichen Schritt in Richtung laufender Vergütung sinnvoll lösen.

Wie wäre das Geschäftsmodell von Maklerpools betroffen?

Maklerpools, die sich rein über die Beschaffung von höchstmöglichen Courtagen ohne jeden Eigenbeitrag des angeschlossenen Maklers definieren, haben in diesem Szenario keine Zukunft. Sie müssen entweder ihre bisher als Supercourtage erhaltene Vergütung in eine Dienstleistungsgebühr des Maklers umwandeln und werden viele angeschlossene Partner verlieren – vielleicht aber gerade die nicht produktionsstarken. Oder sie müsse die an den End-Vermittler weiterzuleitende Courtage spürbar senken oder umverteilen, was denselben Effekt haben dürfte. Auf Dauer sehe ich nur Pools als überlebensfähig an, die gut begründete, zusätzliche Dienstleistungen erbringen und sich bezahlen lassen, entweder vom Kunden oder vom Pool-Makler.

Und das Geschäftsmodell von Strukturvertrieben?

Das hängt sehr von der Zusammensetzung des Neugeschäfts ab. Vertriebe mit klarem Fokus auf die Lebensversicherung werden größere Probleme haben als solche mit einem breiten Fokus auf verschiedene Versicherungen und Finanzdienstleistungen. Wenn sie grundsätzlich solide geführt sind, werden sie sich auch eine gewisse Vorfinanzierung des Geschäfts erlauben können. Ansonsten haben sie vergleichbare Probleme wie die Maklerpools.

Wie sollten Makler und Vermittler auf eine solche Provisionsbegrenzung reagieren?

Vermittler sollten sich vor Augen halten, dass eine begrenzte Vergütung auf ein erfolgreiches Neugeschäft mehr wert ist als eine unbegrenzte Vergütung auf ein schlechtes Neugeschäft, weil die Kunden einfach keine Verträge mehr wollen, bei denen anders als bei normalen Anlagen nicht einmal nach Jahrzehnten ein nominaler Kapitalerhalt in Aussicht gestellt wird.

Vermittler haben von der marktweiten Umstellung der Vergütungssystematik von Versicherungs- auf Beitragssumme seit 1994 sehr profitiert. Und sie profitieren umso mehr, je niedriger die Überschussbeteiligungen ausfallen und daher höhere Beiträge für den gewünschten Ertrag –Ablaufleistung, Rente – gezahlt werden müssen. Das werden Vermittler nicht gerne hören, aber sie sind Gewinner der Niedrigzinssituation, jedenfalls so lange Kunden notgedrungen die immer höheren Beiträge zahlen können und wollen. Irgendwann wollen sie das aber nicht mehr, und dann müssen Lösungen her.

Würde die Begrenzung zu einer weiteren Marktbereinigung im Vertrieb führen?

Vielleicht gibt es immer noch Vermittler, die auf den schnellen Provisions-/Courtagegewinn durch reinen LV-Verkauf aus sind. Wenn die aus dem Markt ausscheiden, muss das für Kunden nicht schlecht sein. Es braucht mehr Vermittler, die ganzheitliche Lösungen beraten und verkaufen, und die verdienen auch mit 25 Promille sehr gutes Geld.

Wie dürfte sich eine mögliche Begrenzung aus Versicherer-Sicht darstellen: Eher als Erleichterung, weil man mit den Kosten runter gehen kann? Oder eher als Bedrohung, da die Produkte möglicherweise nicht mehr so gut verkauft werden?

Ob die Kosten wirklich sinken, bezweifle ich, weil Vermittler verständlicherweise hart verhandeln dürften, die gesenkte Abschlussprovision/-courtage durch eine höhere laufende Vergütung kompensiert zu erhalten. Dann aber sinkt die Gesamtkostenbelastung der LV-Verträge keineswegs. Eine Bedrohung kann das darstellen, jedenfalls wenn ein Versicherer sehr von Vermittlern abhängig ist, die allein auf die Abschlussprovision aus sind.

Gäbe es Möglichkeiten für Versicherer, diese Begrenzung zu umgehen?

Das weiß ich nicht. Aber eins ist mir aufgefallen: Der 2012 eingeführte Provisionsdeckel in der Voll-Krankenversicherung hat zwar den Bruttoneuzugang der Versicherten ungefähr halbiert, gleichzeitig aber sind die Abschlussaufwendungen der PKV – die ja ganz überwiegend durch das Voll-KV-Geschäft geprägt sind – nahezu unverändert hoch geblieben. Woran das liegt, hat mir bislang noch niemand plausibel erklären können.

Glauben Sie, dass der Vorschlag der Bafin eine Vorstufe zum Provisionsverbot ist?

Ganz im Gegenteil glaube ich, dass der Vorschlag der Bafin eine – vielleicht sogar die einzige Chance ist – ein Provisionsverbot zu verhindern. Denn wenn die Bafin mit ihrem Vorschlag scheitert, sollte die Branche davon ausgehen, dass stattdessen Vergütungsregeln in einem LVRG II politisch gefordert werden – und die könnten sehr viel härter ausfallen, als es die Bafin jetzt vorschlägt.

Die Geduld in der Politik mit der Branche und ihrem Mantra, „ohne Abschlussprovision geht die Welt unter“, ist nach meinem Eindruck begrenzt. Sie sollte nicht weiter strapaziert werden. Meines Erachtens ist der Bafin-Vorschlag ausgewogen und fair und gibt den Betroffenen die Freiheit, aber auch die Verantwortung, damit im bestmöglichen Interesse des Kunden und damit letztlich auch dem eigenen Interesse als Dienstleister umzugehen.

Nach nur zehn Jahren haben viele in der Branche schon wieder vergessen, dass es bis 2008 ein aufsichtsamtliches Verbot von Abschlussprovisionen von mehr als 40 Promille gab. Die LV-Welt ist vor 2008 ganz offensichtlich nicht untergegangen, sie wird es auch diesmal nicht.

Von: Karen Schmidt

Quelle: Das Investment

Siehe auch

FondsProfessionell: FFB-Chef: “Wir bleiben Teil von Fidelity”

Fidelity sucht einen Käufer für die FIL Fondsbank (FFB), hieß es im Sommer 2023. Doch das ist Geschichte, sagt FFB-Geschäftsführer Jan Schepanek im Interview mit FONDS professionell. Im Gespräch erläutert er, wie es zu dieser Entscheidung kam – und welche Pläne er mit der Fondsplattform hat.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert