Brasilien kämpft in letzter Zeit mit immer größeren Problemen. Dabei verfügt die größte Volkswirtschaft Südamerikas über enorme Ressourcen – sowohl im Hinblick auf Bodenschätze als auch auf Arbeitskräfte. Mark Mobius, Chef der Templeton Emerging Markets Group, sieht genau darin Brasiliens Schlüssel zum ökonomischen Erfolg.
Seit 1967 ist die brasilianische Wirtschaft gewachsen und hat sich sehr verändert. In letzter Zeit musste Brasilien jedoch mit immer stärker werdenden Widerständen kämpfen. Der Markt leidet unter den niedrigen Rohstoffpreisen, politischer Besorgnis, schwachen Wirtschaftsdaten, Zinserhöhungen und einer Herabstufung des Kreditratings.
Ölgigant Petrobras sorgt für Korruptionsskandal
Brasilien macht derzeit eine harte politische Phase durch. Grund sind die jüngsten Korruptionsskandale im Zusammenhang mit dem staatlichen Ölgiganten Petrobras. Es finden zahlreiche Ermittlungen gegen Politiker statt. Viele Beteiligte befinden sich bereits in Haft oder wurden verurteilt. Wir werten dies als Beleg für die Unabhängigkeit des Justizsystems, das sich allem Anschein nach von der Politik nicht einschüchtern lässt.
Dieser Skandal bietet nun Gelegenheit zur Umsetzung tiefgreifender Regierungsreformen. Hierzu zählen eine Rationalisierung durch eine Reduzierung der Zahl staatlicher Einrichtungen und die Neugestaltung der Steuergesetze.
Gleichzeitig kann etwas zur Behebung des Strukturdefizits im Bereich der sozialen Sicherheit getan werden. Wir könnten kurzfristig unmittelbare Verbesserungen erleben. Zum einen gibt es einen aggressiven Plan zum Verkauf von Petrobras-Vermögenswerten im Wert von 58 Milliarden US-Dollar sowie Pläne für die Privatisierung vieler Infrastrukturwerte. Zum anderen sollen flexiblere Regelungen entstehen, die es Ausländern erlauben, an Ausschreibungen für den Erwerb von Luftfahrtgesellschaften und landwirtschaftlichen Nutzflächen teilzunehmen.
Leitzins auf höchstem Stand seit August 2006
Abgesehen vom Petrobras Skandal leidet die brasilianische Wirtschaft dieses Jahr unter einer Rezession. Die Inflation stieg im Juni auf den höchsten Stand seit mehr als elf Jahren. Das zwang die Notenbank im Juli dazu, ihren Leitzins um 50 Basispunkte auf 14,25 Prozent anzuheben, den höchsten Stand seit August 2006.
Gleichzeitig veranlasste die andauernde Schwäche der brasilianischen Wirtschaft und ein Rückgang der staatlichen Einnahmen während der ersten Jahreshälfte die Regierung dazu, die Haushaltsziele für 2015 und 2016 zu senken.
Die internationale Ratingagentur Standard & Poor’s senkte den Ausblick für brasilianische Fremdwährungsschulden von stabil auf negativ. Weiterhin senkte sie die Ratings für langfristige brasilianische Staatsanleihen in ausländischen Währungen und Lokalwährung auf BB+ beziehungsweise BBB-. Sie begründete diesen Schritt mit der Wirtschaftsschwäche und hohen Verschuldung Brasiliens.
Präsidentin Dilma Rousseffs Versäumnis, eindeutige Haushaltsziele festzulegen, könnten ebenfalls zu dieser Herabstufung beigetragen haben. Mit Beginn ihrer zweiten vierjährigen Amtszeit im Januar lag das Ziel für den Primärüberschuss 2016 (die staatliche Haushaltsbilanz vor Zinszahlungen) bei zwei Prozent. Dieses Ziel wurde nicht erreicht. Inzwischen spricht die Regierung von einem Haushaltsdefizit.
Sparpaket: Finanzminister kämpft gegen Windmühlen
Im Bestreben, sich aus dieser Lage zu befreien, kündigte die brasilianische Regierung vor kurzem ein Sparpaket mit einem Volumen von 17 Milliarden US-Dollar an, das Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen umfasst. Finanzminister Joaquim Levy hat mit seinen eigenen Widerständen aus einer Vielzahl von Interessensgruppen zu kämpfen, die sich diesen Maßnahmen widersetzen.
Sogar die Gewerkschaft der Steuerprüfer der Finanzbehörden kämpft für höhere Gehälter. Sie rief dazu auf, an einem Tag alle Computer, die mit den Systemen der Steuerbehörden verbunden sind, abzuschalten. Levy hat es eindeutig schwer, die staatlichen Ausgaben trotz der akuten brasilianischen Wirtschaftskrise, zu senken. Eines der umstrittensten Themen ist die geplante Steuer auf alle Finanztransaktionen. Sie wird aller Wahrscheinlichkeit nach vom brasilianischen Kongress nicht genehmigt werden.
Die kurzfristige Prognose für Brasilien sieht nicht gut aus. Die Staatsdiener widersetzen sich einer Senkung der staatlichen Ausgaben und die Gesamtbevölkerung protestiert gegen höhere Steuereinkünfte. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir uns als Anleger aus Brasilien oder aus brasilianischen Aktien zurückziehen.
Ressourcen-Reichtum ist Brasiliens Schlüssel zum Erfolg
Wir sind Bottom-up Stockpicker und sehen die Dinge langfristig. Wir sind der Überzeugung, dass Südamerikas größte Volkswirtschaft überleben wird und die dort ansässigen Unternehmen können dies ebenfalls schaffen. Wir planen daher, auch weiterhin dort zu investieren und nach günstigen Gelegenheiten Ausschau zu halten. Wenn die Anlegerstimmung sich auf extremen Tiefständen bewegt, ist das meiner Meinung nach der beste Zeitpunkt, Chancen wahrzunehmen, wenn man geduldig und selektiv vorgeht.
Brasilien verfügt über unglaubliche Ressourcen – nicht nur in Hinsicht auf Bodenschätze, sondern auch in Hinsicht auf Arbeitskräfte. Die Art und Weise, wie die brasilianische Regierung Reformen angeht, um diese Ressourcen am effektivsten zu nutzen, ist unserer Ansicht nach der Schlüssel zum ökonomischen Schicksal des Landes. Wir dürften in den nächsten drei bis fünf Jahren enorme Veränderungen erleben – sofern der Wille dazu besteht.
Eine Reduzierung staatlicher Bürokratie und Ausgaben ist für Brasilien äußerst wichtig. Außerdem braucht das Land eine Politik, die Wachstum im Privatsektor unterstützt, insbesondere bei kleinen und mittelständischen Unternehmen. Dies dürfte einen starken Beitrag zum Wachstum der Wirtschaft leisten. Meiner Meinung nach muss die politische Führung es den Menschen einfacher machen, in Brasilien Geschäfte zu tätigen.
Das Land muss sich darüber hinaus auch weiterhin auf die Korruptionsbekämpfung konzentrieren. Wenn wir von Veränderung sprechen, geht es nicht nur um die Präsidentin, sondern auch um den Kongress. Sofern es genügend reformorientierte Leute gibt, kann es zu dieser Veränderung kommen. Angesichts der Größe des brasilianischen Wachstumspotenzials ist es eine Schande, dass die Regierung nicht effektiver ist.
Von: Mark Mobius
Quelle: DAS INVESTMENT.