Das Investment: Anleihen aus Schwellenländern: Zahltag in 98 Jahren

sjb_werbung_das_investment_300_200   SJB | Korschenbroich, 01.03.2013. Hohe Kurse und niedrige Zinsen – Schuldscheine aus den Industrienationen sind Magerkost. Nun sind die fetten Jahre in den Schwellenländern auch vorbei. Doch mitunter werden Rentenexperten noch fündig. Die besten Rentenfonds der Emerging Markets.

Die Anleihe lief doch nur bis zum 12. November 2010. Wie kann sie da noch immer im Portfolio stecken – fragt sich Michael Mewes. Ein Papier mit 5,75 Prozent Zinskupon pro Jahr, der Schuldner heißt Mexiko.

Ende der Geschichte laut Datenanbieter: 12.11.10. Der Chef des Anleiheteams bei J.P. Morgan Asset Management in Frankfurt forscht nach. Und findet die Lösung: Die Anleihe lief mitnichten nur bis 2010. Sie wird am 12. November 2110 fällig. In fast 98 Jahren.

Mexiko gehört zu den neuen Sternen am Himmel der Anleihe-Investoren. Seit die Löhne chinesischer Arbeiter anziehen und die Worte Arbeitskultur und Streik in den Wortschatz Einzug gehalten haben, besinnen sich Unternehmer auf das noch immer kostengünstige Land direkt vor der US-amerikanischen Haustür. „Die Mindestlöhne in Mexiko liegen derzeit weit unter denen in China“, stellt Brett Diment fest. Der Chef für Schwellenländeranleihen bei Aberdeen Asset Management hat Mexiko im Global Select Emerging Markets Bond gegenüber seinem Vergleichsindex übergewichtet. Das Wirtschaftswachstum sollte vor allem dem nach Diments Meinung unterbewerteten Peso auf die Beine helfen.

Wie weit die Meinungen auseinandergehen können, zeigt Diments Kollege Michael Hasenstab. Der Starmanager von Franklin Templeton hat zwar auch Mexiko- Anleihen im Portfolio des Templeton Emerging Markets Bond. Das Währungsrisiko hat er aber über einen sogenannten Cross Hedge gegen die Indische Rupie getauscht. Die gefällt ihm besser.

Bewusstseinsverändernder Markt

Mexiko ist ein kleiner Teil einer Anlageregion, die derzeit vielen Anlegern ein paar Sorgen abnehmen soll. Es geht um Anleihen aus Schwellenländern, die eine Alternative zu den daheim nur noch extrem niedrigen Zinssätzen geworden sind. Der Markt hat sich gewandelt. Gab es zu Beginn des neuen Jahrtausends hauptsächlich Anleihen in der damaligen Hartwährung Dollar zu kaufen, nehmen die Länder heutzutage ihre Schulden mehr und mehr in ihrer eigenen Währung auf. Sie können das, weil sich das Bewusstsein internationaler Marktteilnehmer verändert hat. Die sehen Peso, Rupie und Real nicht mehr als Weichwährungen an. Im Gegenteil: Sie suchen mitunter ausdrücklich die fremde Währung, um ihr Vermögen zumindest teilweise aus Dollar, Euro, Yen und Pfund fortzuschaffen. Warum sollte man nicht in Länder gehen, deren Wirtschaften deutlich besser laufen als daheim?

So mag Simon Lue-Fong, Teamleiter Emerging Market Debt bei Pictet Asset Management, ebenfalls die Indische Rupie und den Mexikanischen Peso, setzt aber auch auf einen aufwertenden Chinesischen Renminbi und Brasilianischen Real. Für ihn sind es Märkte mit soliden Fundamentaldaten, dem Willen zu strukturellen Reformen und der Fähigkeit, eine Abkühlung der Weltkonjunktur ohne größere Schäden zu meistern.

Die Flucht der Anleger hat Fonds wie den Pictet Emerging Local Currency Debt, Pimco Emerging Local Bond und den bereits erwähnten Templeton-Fonds zu schweren Kolossen anschwellen lassen. Die Zuflüsse liegen im Milliardenbereich, während die Länder selbst nicht allzu viele neue Schulden aufnehmen. Die Finanzkrise tobt woanders.

Das führt zum selben Effekt, wie ihn DAS INVESTMENT in der Titelgeschichte in Heft 02/2013 beschrieben hat: Die enorme Nachfrage lässt die Anleihekurse steigen und damit die Renditeaussichten für Neueinsteiger sinken. Schon gibt es – gemessen an Anleihe-Indizes – lediglich noch einstellige Renditen zu erzielen. Wie in den Märkten der Industrieländer riecht es verdächtig nach einer Spekulationsblase.

Weshalb sich auch schon einige Mahner finden. „Es verblüfft uns, dass Marktteilnehmer nicht aus früheren Fehlern lernen und ihre Disziplin bei der Anleiheauswahl verlieren, wenn die Zinsen niedrig sind“, sagt Paul DeNoon. Er meint damit Anleger, die wegen der sinkenden Renditen ihre Risiken erhöhen. „Es ist nicht der richtige Zeitpunkt, das langfristige Anlageziel auf der Suche nach höheren Zinsen aus dem Auge zu verlieren“, so der Manager des ACM-Bernstein Emerging Market Debt Portfolio. Er beobachte bereits, dass die Qualität neu ausgegebener Unternehmensanleihen mieser wird.

Aber auch DeNoon traut sich was. So hat er seit anderthalb Jahren eine Staatsanleihe der Elfenbeinküste übergewichtet. Dabei hat das Land bis zum Schuldenerlass Mitte 2012 nicht einmal fällige Zinsen bedient. „Unser Analyst reiste dorthin und war sich sicher, dass die neue Regierung unter internationalem Druck die Zahlungen wieder aufnimmt“, berichtet DeNoon. Zudem habe die Elfenbeinküste wirtschaftlich besser dagestanden, als es Rating und Rendite vermuten ließen. Die Rechnung ging auf. Die Anleihe gewann 2012 in Euro gerechnet 82 Prozent an Wert.

Während bei Staatsanleihen die Geldmasse auf ein nur gering wachsendes Angebot trifft, sieht das bei einem weiteren Segment anders aus. So registrierte J.P. Morgan Asset Management, dass Unternehmen aus den Schwellenländern 2012 mit deutlich mehr als 300 Milliarden Dollar so viel Geld über Anleihen einkassierten wie nie zuvor.

Doch sie sind die untere Hälfte einer Zweiklassengesellschaft. Sie zahlen höhere Zinssätze für ihre Anleihen als Konkurrenten aus Industrieländern mit denselben Ratings. In der Stufe BBB liegt der Unterschied zwar nur bei 0,4 Prozentpunkten, bei B ist er dagegen schon deutlich größer.  Ein Grund ist laut Michael Mewes, dass die Investorenschar noch immer kleiner ist als bei Anleihen aus Industrienationen. Was für geringere Nachfrage sorgt. „Zudem scheint ein subjektiver Faktor eine Rolle zu spielen. Das politische Risiko, was ja streng genommen in der Bewertung der Rating-Agenturen bereits enthalten ist, wird gern nochmals in die Waagschale geworfen“, so Mewes. Standortnachteil Schwellenland.

Schroders mit Dreierpack

Trotzdem: Die Fondsbranche steigt voll ein. 23 Gesellschaften haben inzwischen ein passendes Produkt auf dem Markt, davon zwei Indexfonds von Ishares und SPDR. Nur fünf Fonds sind älter als drei Jahre. Erster war die DWS mit ihrem Emerging Markets Corporates. Der jüngste Streich kommt von Schroders – ein Paket aus drei neuen Rentenfonds. Einer enthält Staatsanleihen, einer Unternehmensanleihen und der dritte ist gemischt. Mit Co-Fondsmanager Rajeev De Mello ist ein Experte am Werk, den Dachfondsmanager Eckhard Sauren mit zwei von drei möglichen Goldmedaillen ausgezeichnet hat.

Gute Arbeit werden sicherlich solche Anleihegiganten wie Pimco, Pictet, J.P. Morgan AM und Aberdeen abliefern. Doch auch ein Blick auf den Beitrag der versierten Londoner Investmentboutique Bluebay könnte sich lohnen. Einerseits haben die Spezialisten mehrfach mit anderen Rentenfonds bewiesen, dass sie es können. Andererseits hat auch Bluebay- Managerin Polina Kurdyavko zwei Sauren-Goldmedaillen. Ihren Fonds, den Bluebay Emerging Market Corporate, gibt es seit 2008. In der Krise hielt er sich besser als der Vergleichsindex, anschließend ging er gleichmäßig mit nach oben.

Ebenfalls interessant ist der Emerging Markets Corporate Value Bonds der dänischen Sparinvest. Deren Anleihemanager lassen die Konkurrenz gern mal hinter sich und interessieren sich für einen Marktindex ungefähr so sehr wie für das Wetter vom vergangenen Jahr. Sie lesen die Anleiheprospekte genau und kommen so auf nahezu unentdeckte Perlen wie die Ölgesellschaft DNO International. Die trägt kein offizielles Rating, sitzt in Norwegen, fördert aber in Kurdistan, Jemen und Oman. Die Kosten pro Fass liegen unter 15 Dollar. „Es ist einer der kleinen Werte, die wie ein klarer Übernahmekandidat aussehen“, sagt Portfoliomanager Toke Hjortshøj. Sollte das passieren, würde plötzlich ein Öl-Multi hinter der Anleihe stehen. Vielleicht würde die Anleihe sogar sofort fällig. Beides wäre nicht übel.

Wird Hot Money endlich kalt?

Dass Unternehmen aus den Schwellenländern noch skeptisch betrachtet werden, kann Hjortshøj verstehen: „Die Unternehmensführungen sind noch nicht so verlässlich und sicher wie in den Industrienationen. Die Länder heißen nicht umsonst noch Schwellenländer.“

Doch das kann ja noch kommen. Denn es scheint, als würde mit den neu abgesetzten Unternehmensanleihen ein langfristiger Prozess in Gang kommen. Die Firmen kommen an Kapital, das sie von heimischen Investoren wahrscheinlich in der Menge nicht bekommen hätten. Geld, mit dem sie ihre Betriebe und ihr Geschäft ausbauen können.

Bleibt nur zu hoffen, dass eines diesmal wirklich anders ist als sonst: Dass sich Investoren nicht gleich wieder aus den Schwellenländern zurückziehen, weil zu Hause eine Krise ausbricht. 2008 zeigte beängstigend deutlich, wie schnell so etwas gehen kann. Sollte das Hot Money, das Heiße Geld, endlich erkaltet sein und tatsächlich einmal langfristig in den Schwellenländern arbeiten können? Schön wär’s.

 

Andreas Scholz

Quelle: DAS INVESTMENT.

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