Das Investment: „Wir raten Anlegern von Alleingängen ab“

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Die Rechtsanwälte Andreas Tilp und Marvin Kewe von der Tübinger Kanzlei Tilp sprechen im Interview über das anstehende Insolvenzverfahren gegen P&R, geben Tipps, was geschädigte Anleger nun machen sollten, und erklären, warum es wichtig ist, die Anlegerinteressen jetzt zu bündeln.

DAS INVESTMENT: In Kürze dürfte das Insolvenzverfahren gegenüber P&R eröffnet werden. Wie ist dieser Schritt rein rechtlich zu bewerten?

Andreas Tilp: Sinn und Zweck des Insolvenzverfahrens ist laut Insolvenzordnung, „die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung, insbesondere zum Erhalt des Unternehmens, getroffen wird.“

Oberstes Ziel des Insolvenzverfahrens ist also die gemeinschaftliche Befriedigung aller Gläubiger. Da nicht mehr genug Vermögenswerte vorhanden sind, um alle Forderungen in voller Höhe abzugelten, bedeutet die gemeinschaftliche Befriedigung immer, dass es nur zu einer anteiligen Befriedigung des Einzelnen kommt.

Dem Insolvenzverwalter ist der Weg zur Befriedigung der Gläubiger dabei nicht durch die Insolvenzordnung strikt vorgegeben – die Gläubiger können auf der Gläubigerversammlung hierauf Einfluss nehmen. Welchen Weg der Insolvenzverwalter im Fall P&R einschlägt, kann derzeit noch nicht beurteilt werden, da die Tatsache der „fehlenden Container“ dessen ursprüngliche Pläne durchkreuzt haben dürften.

Das oberste Gebot bleibt jedoch die Gläubigerbefriedigung. Daher muss der einzuschlagende Weg für die Gläubiger die wirtschaftlich beste Lösung sein. Ob dies für den einzelnen Anleger sodann die beste Lösung ist, bleibt abzuwarten.

Was sollten geschädigte Anleger unternehmen?
Marvin Kewe: Es gibt derzeit eine äußert komplexe Gemengelage, da die Containerbestände offenkundig über Jahre fehlerhaft bewirtschaftet und auch nicht existente Container verwaltet wurden. Fraglich ist auch, welches rechtliche Schicksal die tatsächlich vorhandenen Container haben, da nach Angaben der Insolvenzverwalter rund 90 Prozent der Anleger nicht Eigentümer im Rechtssinne geworden sein dürften.

Unseres Erachtens sollten Anleger nun so agieren, dass sie

• ihre Interessen bündeln, indem sie sich in einer Interessensgemeinschaft organisieren,
• durch diese Interessensgemeinschaft ihre Rechte auf der Gläubigerversammlung vertreten lassen und
• durch die Interessensgemeinschaft weiterhin an der Sachverhaltsaufarbeitung mitwirken und partizipieren können.

Sollte jeder Unterlagen beim Insolvenzverwalter einreichen?
Tilp: Unbedingt, denn es sind ja Vermögenswerte vorhanden. Fraglich ist nur, wem diese gehören und ob die Anleger hierauf zugreifen können. Wir raten den Anlegern, sich bei der Anmeldung der eigenen Forderungen anwaltlich vertreten zu lassen, da aufgrund der unklaren Eigentümerstellung Fehler bei der Forderungsanmeldung für den juristischen Laien fast unvermeidbar erscheinen.

Bekommen die Anleger automatisch eine Information über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens?
Tilp: Das ist eine Service-Leistung, die viele Insolvenzverwalter vornehmen. Gleichwohl sind nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsprechende Fristen zu wahren. Auch hier empfiehlt sich, dass Anleger sich Hilfe suchen, um die Einhaltung aller Fristen zu gewährleisten.

Wie sollten die nächsten Schritte aussehen? Gibt es gesetzliche Deadlines?
Kewe: Wir raten den Anlegern klar dazu, sich zu bündeln. Hierzu haben sich entsprechende Interessensgemeinschaften gebildet. Die Kanzlei Tilp zum Beispiel kooperiert mit dem Anlegerbund P&R, der von der neutralen Plattform Qthority gegründet wurde. Das hat den Vorteil, dass den Anlegern die umfangreichen rechtlichen Informationen zukommen, derer es derzeit bedarf. Aktuell muss jeder Einzelfall für das Insolvenzverfahren und die Gläubigerversammlung aufgearbeitet werden.

Gleichzeitig sind auch Schadensersatzansprüche gegen diejenigen zu prüfen, die hier in der Verantwortung stehen. Das sind nach unserem Verständnis nicht nur die Ansprüche gegen die Gesellschaften der P&R Gruppe, sondern auch gegen diejenigen Gesellschaften, die hier eventuell geholfen haben. Uns ist unverständlich, wie zum Beispiel den Wirtschaftsprüfern nicht aufgefallen sein soll, dass rund eine Million Container fehlen. Ebenso gilt es auch, die Staatsanwaltschaft bei der Aufklärung etwaiger strafrechtlicher Tatbestände zu unterstützen.

Wovon raten Sie ab?
Kewe: Um eine hinreichende Einflussnahme im Sinne der Anleger im Insolvenzverfahren auszuüben, ist eine Bündelung der Anleger unseres Erachtens zwingend notwendig. Anlegern können wir daher nicht raten, alles im Alleingang ohne anwaltliche Unterstützung unternehmen zu wollen.

Hat die Aufsichtsbehörde Bafin nicht auch eine gewisse Schuld? Kann man die verklagen?
Tilp: Über die Rolle der Bafin kann man derzeit vortrefflich streiten. Eines muss den Anlegern jedoch klar sein: Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der gesetzlichen Grundlage fehlt es den Anlegern an erfolgsversprechenden Anspruchsgrundlagen, um gegen die Bafin vorzugehen. Das Verhalten der Aufsichtsbehörde ist also eine rein politische Diskussion und hilft den Anlegern aktuell nicht weiter.

Haben Musterklagen Chancen auf Erfolg oder sollte lieber im Verbund gearbeitet werden?
Tilp: Wir prüfen derzeit intensiv, ob Schadensersatzansprüche gegen die betreffenden Gesellschaften mit Aussicht auf Erfolg durchgesetzt werden können. Das wollen wir im Rahmen eines sogenannten Kapitalanleger-Musterverfahrens erreichen. Die Verfahrensart ist quasi die deutsche „Sammelklage“ und hat den Vorteil, dass Anleger hieran sehr kostengünstig partizipieren können. Das sieht man aktuell auch sehr erfolgreich am Beispiel des Musterverfahrens gegen Volkswagen vor dem Oberlandesgericht Braunschweig.

Welche Vorteile hat eine Zusammenarbeit mit dem Anlegerbund?
Kewe: Der Anlegerbund hat unsere Kanzlei mit der rechtlichen Beurteilung des Falls P&R beauftragt. Gleichzeitig hat er zu Experten aus der Containerwirtschaft Kontakt aufgenommen. Anleger erhalten über diesen Weg die Möglichkeit, ihre Interessen im Rahmen des Insolvenzverfahrens zu bündeln und ziel- und zweckgerichtet zu verfolgen. Gleichzeitig erhalten sie auch alle erforderlichen Informationen transparent und fortlaufend, um zu entscheiden, ob weitere rechtliche Maßnahmen sinnvoll erscheinen. Wichtig für uns war, dass der Anleger jeweils frei entscheiden kann, ob und wie er tätig werden möchte.

Von: Redaktion
Quelle: Das Investment

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