Nachhaltigkeit lohnt sich nicht nur fürs gute Gewissen, sondern auch an der Börse. Diese Meinung vertritt Christian Petter, CEO von BNP Paribas Investment Partners. Im Interview mit Fundresearch erläutert Petter sein Verständnis von Nachhaltigkeit und macht sich Gedanken über die Vereinbarkeit von schlechtem Gewissen und Rendite.
Fundresearch: Auf der Abschlussveranstaltung der Klimakonferenz in Paris Anfang des Jahres standen dem französischen Präsidenten die Tränen in den Augen, als er sein Wort an die versammelten Nationen richtete. Umweltschutz ist selbst für Politiker offensichtlich ein sehr emotionales Thema. Unternehmen dagegen achten vor allem auf Rentabilität. Sentimentalität hat da keinen Platz. Sind Gewinnstreben und Rücksichtnahme auf die Natur überhaupt miteinander vereinbar?
Christian Petter: Durchaus. Nachhaltigkeit ist längst kein Nischenthema mehr. Mit ökologischer Gefühlsduselei hat das überhaupt nichts zu tun. Dass es in Paris zu einer gemeinsamen Abschlusserklärung von 195 Ländern gekommen ist, hat mit der zunehmenden Erkenntnis zu tun, dass nachhaltiges Wirtschaften für Unternehmen keine Gewinnbremse ist. Im Gegenteil: Firmen, die darauf Wert legen, weniger Ressourcen zu verbrauchen, schonen damit nicht nur die Umwelt, sondern steigern langfristig auch ihre Gewinne. Das ist immer mehr Konzernlenkern bewusst. Davon profitieren auch die Staaten, in denen diese Unternehmen tätig sind.
Fundresearch: Wie können auch Anleger von diesem Erkenntniszuwachs profitieren?
Christian Petter: Indem sie in börsennotierte Unternehmen investieren, die nachhaltig wirtschaften.
Fundresearch: Zahlt sich denn Nachhaltigkeit auch an der Börse aus?
Christian Petter: Ja. Das ist mittlerweile sogar wissenschaftlich bewiesen. Im vergangenen Jahr hat die Harvard Universität eine Studie veröffentlicht, in der sie die Entwicklung von mehr als 2.300 Unternehmen über 20 Jahre hinweg dokumentiert. Die Forscher haben bestimmte Nachhaltigkeitsparameter angelegt und verglichen, wie diese sich bei den Unternehmen auf die Börsenperformance ausgewirkt haben. Das Ergebnis ist eindeutig. Die Aktienkurse von Unternehmen, die wichtige Nachhaltigkeitsaspekte erfüllen, haben sich im Durchschnitt rund vier Prozent besser entwickeln als der Rest.
Fundresearch: Über einen Zeitraum von 20 Jahren…
Christian Petter: …damit wir uns nicht falsch verstehen: Wir reden über durchschnittlich vier Prozent Outperformance pro Jahr!
Fundresearch: Können Sie Beispiele nennen für Unternehmen mit ausgesprochen ressourcenschonender Geschäftspolitik?
Christian Petter: Ein gutes Beispiel dafür ist Canadian Pacific Railway. Das ist ein Eisenbahnunternehmen, das sich auf den Güterverkehr spezialisiert hat. Zu den größten Geschäftsfeldern gehört der Transport von Kohle, Weizen und Containern in diesem riesigen Land Kanada. Der CO-Ausstoß dieser Transportleistung ist um ein Vielfaches geringer als bei einem vergleichbaren Transport mit LKW.
Fundresearch: Wenn Sie schon von dem riesigen Land sprechen – die Güter müssen ja erstmal zur Bahn kommen.
Christian Petter: Bereits 1952 hat das Unternehmen als erste nordamerikanische Eisenbahngesellschaft den Huckepackverkehr eingeführt. Die Lastwagen-Anhänger werden dabei auf Flachwagen verladen. Ein Prinzip, dass sich bewährt hat, Ressourcen schont und profitabel ist.
Fundresearch: Ist der Trend zur Nachhaltigkeit ein „Erste Welt“- Phänomen?
Christian Petter: Der Trend zu umweltschonender Produktion und zu höheren Sozialstandards in den Unternehmen ist auch in den Entwicklungsländern zu beobachten. Die Konzernlenker dort können die Effekte an der Aktienperformance ihrer Unternehmen ablesen.
Fundresearch: Nachhaltigkeit wird auch an den Emerging Markets Börsen belohnt?
Christian Petter: Genauso wie an anderen Börsen auch. Der MSCI Emerging Markets SRI, ein Index, dessen Abkürzung SRI für Socially Responsible steht, zeigt eine Outperformance von rund vier Prozent gegenüber dem MSCI Emerging Markets Index. Selbst in den Ländern Asiens oder in Lateinamerika zahlt sich nachhaltiges Wirtschaften also aus. Immer mehr Investoren belohnen nachhaltig wirtschaftende Unternehmen, indem sie in Aktien von Konzernen investieren, die die Umwelt schonen. Nicht aus Sentimentalität, sondern weil es sich lohnt.
Fundresearch: Wie finde ich als Anleger solche Unternehmen?
Christian Petter: Die Recherche ist aufwändig. Es gibt Unternehmen, die sich darauf spezialisiert haben, nachhaltig wirtschaftende Unternehmen ausfindig zu machen. Diese Unternehmen vermarkten sogenannte SRI-Indizes, die wiederum als Basis für Nachhaltigkeits-ETFs oder -fonds dienen. Bei der BNP ist das Thema jedoch tief verwurzelt. Wir sind Vorreiter auf diesem Gebiet und gehören zu den wenigen Banken, die hier auf eigenes SRI-Research vertrauen können. Wir haben schon vor 20 Jahren einige Nachhaltigkeits-Fonds entwickelt. Derzeit verwalten wir 15 entsprechende Fonds, die nun auch auf dem deutschen Markt platziert werden.
Fundresearch: Nachhaltigkeit ist ein weites Feld…
Christian Petter: Durchaus. Wir ordnen das Thema in drei Kernbereiche: Wasser, Arbeitsschutz und SMaRT Food.
Fundresearch: Clevere Nahrung?
Christian Petter: So würde ich das nicht übersetzen (lacht). Es geht eher darum, Nahrung effizient zu produzieren und zu transportieren. Studien gehen davon aus, dass jährlich allein durch ineffiziente Lagerung und Transport Nahrungsmittel im Wert von etwa einer Billion Dollar vernichtet werden. Bei SMaRT schreiben wir deshalb vier Buchstaben groß. SMaRT steht für „Sustainably Manufactured and Responsibly Transformed Food“.
Fundresearch: Wie füllen Sie diesen Begriff praktisch mit Leben?
Christian Petter: Unser Fonds Parvest SMaRT Food investiert in der gesamten Lebensmittel-Wertschöpfungskette in Unternehmen, die aufgrund ihrer Aktivitäten und ihrer verantwortungsvollen Einstellung dazu beitragen, die Umweltbelastung zu senken. Zu diesem Zweck begrenzen sie den „Input“, um Umweltverschmutzung zu verringern und den Klimawandel zu bremsen.
Fundresearch: Können Sie konkret ein Unternehmen nennen, das unter diese Kriterien fällt?
Christian Petter: Natürlich. Whole Foods Market beispielsweise ist eine Lebensmittelkette aus den USA, die ausschließlich Bio-Lebensmittel vertreibt und darüber hinaus besondere ethische Grundsätze an seine eigene Verwaltung stellt. Dazu zählt unter anderem der Einsatz von besonders CO-2 sparsamen Kühl- und Tiefkühltruhen und -lagern. Die Lebensmittel sind frei von künstlichen Aromen und Konservierungsmitteln. So etwas wird von Verbrauchern zunehmend honoriert.
Fundresearch: Kann man beim Thema Nachhaltigkeit auf die Gunst der Verbraucher setzen? An der Ladentheke entscheidet doch oft der Preis. Oder?
Christian Petter: Whole Food beweist, dass der Markt für Bio-Lebensmittel groß genug ist. Oder nehmen Sie Tomra Systems – ein norwegisches Unternehmen, das jährlich rund 35 Milliarden Dosen und Flaschen recycelt.
Fundresearch: Das klingt nach einer ziemlich limitierten Geschäftsidee.
Christian Petter: Eine Aktienkurse-Performance von über 141 Prozent in fünf Jahren beweist, dass man mit Dosensammeln offensichtlich gutes Geld verdienen kann.
Fundresearch: Wohin geht der Trend beim Thema Nahrungsmittel?
Christian Petter: Der Trend geht eindeutig zu höherwertiger Nahrung. Das liegt einfach daran, dass vor allem in Asien der Mittelstand wächst. Vereinfacht gesagt: Die Leute essen mehr Fleisch. Wir gehen von einer Nachfragesteigerung von etwa 70 Prozent bis zum Jahr 2050 aus.
Fundresearch: Das klingt nicht nach Nachhaltigkeit und Schonung von Ressourcen…
Christian Petter: …ist aber Fakt. Jetzt geht es eben auch darum, die Entwicklung unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit zu begleiten. Wenn Fleisch weiterhin so produziert wird wie bisher, wird es Probleme geben. Da muss ohnehin ein Umdenken stattfinden. Unsere Analysten suchen gezielt nach Unternehmen, die hier sehr fortschrittlich denken.
Fundresearch: Würden Sie die Entwicklung bei der Nahrungsmittelproduktion hin zu mehr Nachhaltigkeit einen Megatrend nennen?
Christian Petter: Mit solchen Begriffen bin ich vorsichtig. Einen Trend kann ich aber durchaus bestätigen: Die „Verschmutzer“ performen an der Börse schon jetzt immer schlechter. Je mehr sich diese Erkenntnis in den Köpfen der Anleger verbreitet, desto deutlicher wird sich diese Entwicklung fortsetzen. Und umso mehr werden börsennotierte Unternehmen ihre Geschäftspolitik überprüfen müssen.