Im Interview spricht sie über…

…die Gratwanderung zwischen Rendite und Ökobilanz: „Man braucht definitiv ein anderes Mindset als bei Investments in klimafreundliche Zukunftstechnologien.“

…die Rolle des Managements: „Entscheidend ist, dass das Management mehr tut, als vage Versprechungen für das ferne Jahr 2050 zu machen.“

…die überschätzten Hoffnungen auf die Wasserstoffwirtschaft: „Die technischen Probleme bei Herstellung und Transport sind noch nicht gelöst.“

… ihren eigenen Wandel in der Branche: „Ich hätte gerne noch früher erkannt, wie wertvoll Zusammenschlüsse und gemeinsames Engagement mit anderen Investoren sind.“

DAS INVESTMENT: Frau Christiansen, Sie sind Portfoliomanagerin des Nordea Global Climate Engagement Fund. Was hat Sie persönlich dazu inspiriert, in den Bereich nachhaltige Geldanlagen zu gehen?

Alexandra Christiansen: Das war eher Zufall. Ich habe meine Karriere als Analystin bei Blackrock begonnen und sollte dort unter anderem Energieunternehmen, Rohstoffkonzerne und Versorger analysieren. Durch die Heirat mit einem Dänen bin ich dann nach Kopenhagen gezogen und bei Nordea gelandet, die schon sehr lange Nachhaltigkeitsthemen verfolgen. Weil ich mich mit den schmutzigen Industrien auskannte, lag es nahe, mich um den Nordea Global Climate Engagement Fonds zu kümmern.

Können Sie die Grundidee und Ziele dieses Fonds beschreiben?

Christiansen: Nach vielen Jahren, in denen wir mit unserem Flaggschiff-Fonds Nordea Climate and Environment in klimafreundliche Technologien und Geschäftsmodelle investiert haben, kam uns der Gedanke: Auch die vermeintlichen „Umweltsünder“ werden gebraucht, wenn wir bis 2050 Klimaneutralität erreichen wollen. Stahl, Zement, Chemie – all diese sehr energieintensiven und emissionsreichen Industrien können wir nicht einfach verbannen. Wir müssen Wege finden, sie zu dekarbonisieren, ohne ihre Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit komplett zu ruinieren. Genau da setzt unser Global Climate Engagement Fonds an: Wir investieren gezielt in Konzerne mit hohem CO2-Fußabdruck, die aber glaubwürdige Pläne zur Dekarbonisierung bis 2030 beziehungsweise 2050 vorlegen können. Denn der Wandel wird ohne die „schweren Jungs“ nicht gelingen. Durch unser Engagement als Großaktionär üben wir dann Einfluss aus, damit diese Vorhaben auch wirklich umgesetzt werden.

Sie sprachen von „Umweltsündern“. Welche Sektoren und Unternehmen fallen konkret in Ihr Anlageuniversum?

Christiansen: Wir haben uns beim Aufbau des Portfolios sehr breit aufgestellt, um viele unterschiedliche Renditequellen zu erschließen. Unser Schwerpunkt liegt natürlich auf den Schwerindustrien wie Stahl, Chemie, Zement und Energie. Aber auch einige Bereiche bei Konsumgütern, Finanzdienstleistern oder in der Tech-Branche weisen hohe Emissionen oder andere Umweltbelastungen auf. Um das Anlageuniversum systematisch abzustecken, haben wir uns an der der Non-Profit-Organisation SASB orientiert. Die hat für alle Branchen detailliert analysiert, welche Nachhaltigkeitsfaktoren jeweils besonders ins Gewicht fallen. Anhand dieser Einstufung lassen sich dann gezielt die Sektoren und Unternehmen herausfiltern, in denen wir als Investoren den größten Impact erzielen können.

Welche besonderen Herausforderungen ergeben sich bei der Anlage in diese „Altindustrien“?

Christiansen: Man braucht definitiv ein anderes Mindset als bei Investments in klimafreundliche Zukunftstechnologien. Dort setzt man eher auf dynamisches Wachstum und hohe Gewinnmargen – also eher Growth- und Quality-Aktien. Viele der emissionsreichen Old-Economy-Firmen sind dagegen günstig bewertet, teils schon fast abgeschrieben. Hier kommt es auf geschicktes Stockpicking an.

Die Kurse sind manchmal ja nicht grundlos im Keller.

Christiansen: Gerade Branchen wie Stahl oder Zement stehen durch strengere Emissionsvorschriften unter massivem Veränderungsdruck. Entwickeln sie keine tragfähigen Dekarbonisierungsstrategien, könnte ihnen das die Geschäftsgrundlage entziehen. Dieser Existenzkampf ist im Aktienkurs schon teilweise eingepreist. Wir als aktive Investoren müssen die Spreu vom Weizen trennen.

Welche Branche ist gewissermaßen der Lackmustest?

Christiansen: Ein extremes Beispiel ist die Stahlindustrie. Sie ist für einen großen Teil der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Trotzdem werden wir Stahl auch in der Zukunft noch brauchen, allein schon für den Ausbau von Windrädern und Solaranlagen. Wie also können Stahlproduzenten klimaneutral werden? Einige setzen auf Wasserstoff als Ersatz für Kohle in den Hochöfen. Aber bislang ist diese Technologie in unseren Augen noch nicht wettbewerbsfähig. Wir müssen die Unternehmen hier genau prüfen: Gibt es einen klaren Fahrplan für den Umbau? Werden jetzt schon die ersten Investitionen getätigt? Oder vertröstet man nur auf die fernen Jahre 2040 bis 2050?

Woran erkennt man, ob ein solches Traditionsunternehmen es wirklich ernst meint mit der ökologischen Transformation?

Christiansen: Entscheidend ist, dass das Management mehr tut, als vage Versprechungen für das ferne Jahr 2050 zu machen. Es müssen jetzt und in den nächsten Jahren greifbare Maßnahmen und Investitionen erfolgen. Auch der Beginn des eigentlichen Umbauprozesses sollte jetzt starten. Nehmen wir wieder das Beispiel Stahl: Ein ernstzunehmender Kandidat wäre zum Beispiel ein Produzent, der jetzt schon an einem Plan B arbeitet. Solche Ankündigungen müssen dann natürlich auch in der Mittelfristplanung und im Capex-Budget hinterlegt sein. Und wir achten darauf, ob diesen Ankündigungen auch entsprechende Taten folgen.

Welche Faktoren außerhalb der Zahlen nehmen Sie in den Blick?

Christiansen: Neben diesen „harten“ Kriterien schauen wir auch auf Faktoren wie die Unternehmenskultur: Wie denken Management und Mitarbeiter generell über Nachhaltigkeitsthemen? Sind hier die richtigen Anreizsysteme gesetzt? Und nicht zuletzt führen wir selbst ausführliche Gespräche mit den Top-Entscheidern. Dabei hilft natürlich unsere langjährige Expertise.

In welcher Form hat der Ukraine-Krieg die Zielsetzungen Ihres Fonds beeinflusst?

Christiansen: Das war in der Tat ein Stresstest. Einerseits haben viele unserer Firmen nach Kriegsbeginn massiv an Wert gewonnen. Die Aktienkurse vieler Stahlproduzenten sind regelrecht explodiert. Auf der anderen Seite wurde etwa in Deutschland angesichts der Gasknappheit wieder mehr Kohle verbrannt, so dass die Emissionsbilanz vieler Konzerne sich zumindest vorübergehend verschlechterte. Langfristig könnte der Krieg aber den Umbau der Energieversorgung beschleunigen, so dass zum Beispiel Wind- oder Solarkraft eine wichtigere Rolle spielen könnten.

Bei der Dekarbonisierung setzen viele auf Wasserstoff als universalen Energieträger. Sie klangen vorhin sehr skeptisch. Können Sie das näher erläutern?

Christiansen: Bei Wasserstoff sind wir eher skeptisch, denn die technischen Probleme bei Herstellung und Transport sind noch nicht gelöst. Wasserstoff wäre für Teile der Industrie sicherlich eine gute Lösung für ein klimaneutrales Geschäftsmodell, aber diese Technologie ist noch zu unausgereift.

Zusammensetzung des Nordea 1 – Global Climate Engagement Fonds © DAS INVESTMENT

Sie bevorzugen also andere Technologien.

Christiansen: Es wird nicht den einen Königsweg geben, sondern verschiedene Technologien müssen je nach Branche und Anwendungszweck zusammenkommen. Wir analysieren daher jeden Kandidaten für unser Anlageuniversum sehr detailliert: Welche dieser Technologien will er in welchem Umfang und Zeitrahmen zum Einsatz bringen? Ist dieser Plan schlüssig und realisierbar? Wo gibt es Abhängigkeiten oder Hindernisse, die den Erfolg gefährden können? Anhand dieser Kriterien schätzen wir die Erfolgsaussichten ein und treffen dann unsere Anlageentscheidung.

Sie haben wie eingangs erwähnt Ihre Karriere eher zufällig in diesem Bereich begonnen. Hat sich im Laufe der Jahre Ihre persönliche Perspektive auf das Thema Nachhaltigkeit verändert?

Christiansen: Definitiv. Das fing schon bei meinem vorherigen Arbeitgeber an, weil ich durch meinen Aufgabenbereich tief in die Problematiken rund um Emissionen eintauchen konnte. Je mehr ich mich dann mit Nachhaltigkeitsthemen beschäftigt habe, umso klarer wurde mir: Wir alle tragen hier eine Riesenverantwortung für künftige Generationen. Das Thema ist aber natürlich auch für meinen persönlichen Alltag viel relevanter und präsenter geworden. Ich habe jetzt drei Kinder und mache mir sehr wohl Gedanken, welche Zukunft sie einmal vorfinden werden. Gleichzeitig empfinde ich es als große Chance, dass ich heute aktiv an Lösungen für eine nachhaltigere Wirtschaft mitarbeiten kann. Als Investorin Einfluss auf globale Konzerne zu nehmen und im besten Fall etwas zum Positiven zu bewegen, ist eine erfüllende Aufgabe.

Noch eine persönliche Frage: Wenn Sie heute am Anfang Ihrer Karriere stünden – was würden Sie jetzt anders machen mit dem Wissen von heute, worauf würden Sie anders blicken?

Christiansen: Ich hätte gerne noch früher erkannt, wie wertvoll Zusammenschlüsse und gemeinsames Engagement mit anderen Investoren sind. Gerade Initiativen wie Climate Action 100+ verschaffen uns Hebelwirkung. Denn viele der globalen Herausforderungen rund um Klima und Nachhaltigkeit können wir nur gemeinsam angehen.