Das Investment: Europäische Bankaktien: Gelddruckmaschinen oder Kapitalvernichter?

sjb_werbung_das_investment_300_200

 SJB | Korschenbroich, 07.07.2015. Zahlreiche Finanzskandale haben das Vertrauen in die europäischen Banken schwer erschüttert. Obwohl das Image der Branche am Boden liegt, sind viele Bankaktien in den vergangenen drei Jahren kräftig gestiegen. Kann das gutgehen? Darüber sind zwei Fondsmanager höchst unterschiedlicher Meinung.

Urteile, Strafzahlungen, Vergleiche und kein Ende – Europas Banken kommen nicht zur Ruhe. Die Branche steckt in einer tiefen Krise, vielleicht sogar der tiefsten ihrer Geschichte. In Verruf gekommen ist sie durch unzählige Betrugsskandale, zweifelhafte Strategien und tendenziell sinkende Profitabilität. Ihr Fehlverhalten kommt die europäische Finanzindustrie teuer zu stehen. Prominentes Beispiel ist wieder einmal die Deutsche Bank:

Erst Ende April musste Deutschlands größtes Geldhaus 2,5 Milliarden Dollar Strafe zahlen, nachdem ihr im Zuge des Libor-Skandals eine jahrelange Beteiligung an der Manipulation des in London ermittelten Interbankenzinssatzes nachgewiesen werden konnte. Nun drohen wegen eines milliardenschweren Geldwäsche-Falls in Russland weitere Strafzahlungen.

Es sind nur die jüngsten in einer langen Liste von Rechtsverstößen, die die Deutsche Bank belasten. Wie schwerwiegend diese Vorfälle sind, unterstreicht der Rückzug des Vorstands-Duos Jain und Fitschen von der Bankspitze – auch wenn die andauernden Diskussionen um die zukünftige Strategie der Bank im Privatkundengeschäft ebenfalls ihren Teil dazu beitrugen.

Tief in die eigene Tasche musste auch die Commerzbank greifen: Sie zahlte in den USA im Rahmen eines Vergleichs 1,45 Milliarden Dollar an die Justiz. Grund waren Verstöße gegen US-Sanktionen durch die Abwicklung von Geschäften für iranische und sudanesische Kunden. Der Jahresgewinn der Bank fällt damit um 56 Prozent geringer aus als ursprünglich angekündigt. Auch bei vielen anderen europäischen Geldinstituten sieht es nicht rosiger aus. Wegen Tricksereien an den Devisenmärkten stehen die Schweizer UBS sowie die britischen Institute Barclays und Royal Bank of Scotland (RBS) vor hohen Bußgeldern. Großbritannien will bei der RBS nun die Reißleine ziehen und seine hohe Beteiligung an der 2008 im Zuge der Finanzkrise teilverstaatlichten Großbank abstoßen.

Die Quittung erhielten zahlreiche Geldhäuser in Europa bereits von Seiten der Ratingagenturen. Sowohl Standard & Poor’s als auch Fitch stuften die Bonitätsnoten auf breiter Front herab und drohen sogar mit weiteren Herabstufungen mit Blick auf neue Vorschriften zur Abwicklung von Banken.

Doch es gibt auch positive Ausnahmen. Zum Beispiel die Intesa Sanpaolo. Die größte Filialbank Italiens profitiert von der allmählichen wirtschaftlichen Erholung des Landes und überraschte im ersten Quartal 2015 mit einer Gewinnverdoppelung gegenüber dem Vorjahresquartal auf über eine Milliarde Euro. Das gute Ergebnis ließ die Vorsorge für faule Kredite auf den niedrigsten Stand seit Sommer 2011 fallen.

Aktionäre, die erst 2012 oder später eingestiegen sind, können relativ gelassen auf den ganzen Rummel um die europäischen Banken blicken: In den aktuellen Kursen spiegeln sich die Fehltritte der Institute vielfach nicht wider. Der den breiten europäischen Bankenmarkt abbildende Euro Stoxx Banks 600 legte in den vergangenen 3 Jahren um über 60 Prozent zu. Scheinbar drücken die meisten Investoren ein Auge zu und hoffen, dass die Institute wieder in die Spur zurückfinden. Gegenwind kommt dabei unter anderem auch von den Finanz-Start-Ups der Internetwelt. Erste Großbanken, darunter auch die Deutsche Bank, hegen Pläne, mit den kurz FinTechs genannten jungen Unternehmen zu kooperieren, die ihnen im Kredit- und Einlagengeschäft bereits Marktanteile abnehmen.

Diese Entwicklung lässt Thomas Dhainaut, Gesellschafter bei der französischen Fondsboutique Sycomore Asset Management, ein vorsichtiges Auge auf den klassischen Bankensektor werfen. Der Manager des Sycomore European Recovery sieht zudem von der fortschreitenden Regulierung und steigenden Eigenkapitalanforderungen hohen Druck auf die Banken ausgehen. Christian Funke, Manager des S4A EU Pure Equity, konzentriert sich derweil ganz auf die Erkenntnisse der empirischen Kapitalmarktforschung und stellt den aktuellen Bewertungen die Risiken gegenüber. Unter den europäischen Banken lässt ihn dies eine ganze Reihe attraktiver Titel identifizieren, wozu die expansive Geldpolitik der EZB seiner Meinung nach einen wichtigen Beitrag leistet.

PRO: “Das Anleihekaufprogramm der EZB kommt Bankaktien zugute”
Christian Funke, Manager des S4A EU Pure Equity

Seit Ausbruch der Euro-Krise gehörten die europäischen Banken lange Zeit zu den riskantesten Titeln des Anlageuniversums. Trotz der häufig sehr niedrigen Bewertungen war eine Investition in diese Aktien somit nicht empfehlenswert. Ein Blick auf die Entwicklung der Risikoparameter in der jüngeren Vergangenheit zeigt jedoch ein anderes Bild: Alle wesentlichen Kennzahlen wie Volatilität oder Beta haben sich deutlich verringert. Die Situation von Finanzunternehmen hat sich in den vergangenen Monaten also erheblich aufgehellt.

Diese Verbesserung hat sich allgemein betrachtet jedoch noch nicht in deutlich höheren Bewertungsniveaus niedergeschlagen: Finanzwerte gehören zum Großteil immer noch zu den am niedrigsten bewerteten Firmen in Europa. Somit bewegen sich zurzeit relativ viele von ihnen in einen Bereich hinein, der aus Sicht der empirischen Kapitalmarktforschung aufgrund geringer Bewertungen und nicht zu hoher Risiken für Investitionen besonders interessant ist.

Sollte man dementsprechend europäische Finanzwerte übergewichten? Ja – aber gezielt. Man sollte speziell solche Titel auswählen, welche bereits deutlich gesunkene Risikokennzahlen, aber ein immer noch niedriges Bewertungsniveau aufweisen. Dies trifft bereits auf eine Reihe von Finanzwerten zu, und wir erwarten, dass die Anzahl dieser Titel noch steigen wird.

Der Hauptgrund dafür dürfte die expansive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank sein: Die Erfahrungen aus den Lockerungsprogrammen der US-Notenbank Fed zeigen, dass die Anleihekaufprogramme der Fed eine deutlich risikoreduzierende Wirkung auf Finanzaktien hatten. Denn solche Programme dämpfen das Zinsniveau am Markt und treiben Anleger auf der Suche nach Renditequellen daher in riskantere Anlageformen. Die daraus resultierende erhöhte Nachfrage nach entsprechenden Werten macht es für Finanzinstitute einfacher, sich von ihren bilanziellen Risikopositionen zu trennen und so ihre Bilanzen zu stärken.

Wie kommen wir zu dieser Meinung in Bezug auf europäische Finanzwerte? In unseren Fonds kommen nur regelgebundene Investmentprozesse zum Einsatz, welche sich konsequent an den Erkenntnissen der Kapitalmarktforschung orientieren. Das heißt, wir basieren unsere Anlageregeln nur auf Renditemustern, welche von der Wissenschaft verifiziert wurden. Das wahrscheinlich bekannteste und am meisten untersuchte Renditemuster der Welt ist die sogenannte Value-Anomalie, womit die langfristige Überrendite der am niedrigsten bewerteten Firmen gemeint ist. Die empirische Kapitalmarktforschung hat gezeigt, dass ein derartiges Value-Investment an allen entwickelten Kapitalmärkten im langfristigen Durchschnitt Überrenditen generiert.

Allerdings hat die Kapitalmarktforschung auch ergeben, dass Value nicht gleich Value ist: Häufig sind Aktien nur deshalb niedrig bewertet, weil sie besonders risikobehaftet sind. Für die Aufnahme dieser Risiken werden Anleger jedoch nicht unbedingt entlohnt. Im Gegenteil: Diverse Untersuchungen haben gezeigt, dass die Firmen mit dem höchsten Risiko eine deutliche Minderrendite aufweisen. Investoren sollten somit zwar grundsätzlich tief bewertete Aktien kaufen, jedoch Titel mit übermäßig hohem Risiko meiden.

Die durchschnittlich positive Entwicklung der Risikoparameter bedeutet nicht, dass sich die Risikokennzahlen aller Finanztitel gut entwickeln. Individuelle Ereignisse wie Kapitalerhöhungen oder Dividendenkürzungen bergen Risiken, die bei einzelnen Werten zu deutlichen Kursverlusten führen können. Daher sollten Anleger Finanzwerte mit besonders hohen Risikokennzahlen weiterhin meiden.

CONTRA: “Die Regulierung und neue Wettbewerber sind große Hürden”
Thomas Dhainaut, Manager des Sycomore European Recovery

Vor ziemlich genau drei Jahren verdeutlichte Mario Draghi in einer spektakulärer Rede, dass die Europäische Zentralbank bereit sei, alles Erforderliche zu tun, um den Euro zu erhalten. Der europäische Bankensektor hat sich seitdem überdurchschnittlich entwickelt. Auf Sicht von zehn Jahren verzeichnet der Bankensektor jedoch eine erhebliche Underperformance, zu unter anderem auch um 50 Prozent gesunkene Eigenkapitalrenditen beigetragen haben.

Aktuell liegen die Gewinne wieder auf dem Niveau des Jahres 2006, aber die Eigenmittel sind doppelt so hoch. Die Anforderungen an das Eigenkapital wurden in den vergangenen Jahren immer weiter erhöht, und dies dürfte sich auch in den kommenden Jahren fortsetzen. Die europäischen Banken müssen in den folgenden 8 Jahren zwischen 300 und 500 Millionen Euro jährlich zum EU-Abwicklungsfonds beitragen und sich auf die absehbaren Änderungen in Bezug auf die risikogewichtete Aktiva einstellen, mit denen sie besser gegen Markt-, Kredit- und operationelle Risiken abgesichert werden sollen. Sehr wahrscheinlich werden zudem die Vorgaben für die risikogewichtete Aktiva angehoben, was bedeutet, dass mehr Kapital erforderlich sein wird. Dieser zusätzliche Kapitalbedarf könnte ungefähr 15 Prozent des aktuellen Kapitals betragen.

Gleichzeitig entsteht mit dem Crowdfunding eine ganz neue Konkurrenz, die viele Unternehmen dazu veranlasst, sich nicht im klassischen Bankenkreislauf, sondern auf speziellen Plattformen Finanzierungen zu beschaffen. Obwohl die Menge an solchen Finanzierungen im Vergleich zu den von Banken bereitgestellten Krediten noch sehr klein ist, zeigt sich die allgemeine Tendenz zur Disintermediation von Funktionen, die bisher dem Bankensektor vorbehalten waren. Während Crowdfunding und Plattformen für Peer-to-Peer-Kredite einen Aufschwung erleben, treten in mehreren europäischen Ländern neue, rein virtuelle Akteure auf den Markt, die ebenfalls Kredite sowie Kontoführungsdienstleistungen anbieten.

Nachdem der Bankensektor seit Jahresanfang zunächst einen Rücksetzer von 10 Prozent zu verkraften hatte, entwickelt er sich nun dank der Aussicht auf eine Erholung der Eurozone und in Erwartung eines Anstiegs der Kreditvolumina mehr und mehr parallel zum Gesamtmarkt. Das sehr niedrige Zinsniveau ermöglicht den Banken zwar eine Senkung ihrer Finanzierungskosten, geht aber gleichzeitig zu Lasten der Zinsmargen. Den derzeitigen Druck auf die Margen könnte nur ein deutlicher Anstieg der Kreditvolumina ausgleichen.

In diesem komplexen Umfeld verzeichnet der Bankensektor das niedrigste Bewertungsniveau aller Sektoren. Angesichts der Herausforderungen für europäische Banken, insbesondere in den Bereichen Regulierung und Kapitalbedarf, halten wir an unserer zurückhaltenden Sichtweise fest. Dennoch interessieren wir uns für bestimmte Einzeltitel wie Crédit Agricole, bei der eine Umgestaltung der Corporate Governance zu einem veränderten Kapitalprofil führen könnte. Wir bevorzugen außerdem renditestarke Titel wie ING, die rund 22 Prozent der Börsenkapitalisierung an die Aktionäre ausschüttet – das entspricht 7 Prozent der Rendite. Ebenso interessant ist Banca Popolare dell’Emilia Romagna, eine unterbewertete italienische Bank, die von der in Italien geplanten Konsolidierung und den daraus entstehenden Kostensynergien profitieren könnte.

Von: Carsten Krüger

Quelle: DAS INVESTMENT.

Siehe auch

Fundview: Frank Thelen über Tech-Rallye: „Kann nicht immer weitergehen, dass die Big Seven alles treiben“

Aktuell liefern viele Nebenwerte starke Zahlen – aber die Aktienkurse bewegen sich nicht. Deswegen sei das Aufholpotenzial für Frank Thelen von 10xDNA Capital Partners derzeit besonders groß. Denn die Glorreichen Sieben werden seiner Meinung nach nicht immer weiter die Märkte treiben. Chancen sieht Thelen vor allem bei Tech-Werten aus der zweiten Reihe.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert