Assenagon | München, 31.03.2022.
Entgegen dem Narrativ vorübergehender Inflation zeichnet sich das derzeitige inflationäre Umfeld als äußerst hartnäckig aus, was Zentralbanken weltweit vor eine Herausforderung stellt. Denn die als Resultat steigenden Zinsen wirken sich mittelfristig üblicherweise negativ auf die wirtschaftliche Dynamik aus, welche sich zuletzt – überschattet durch die tragischen Umstände in der Ukraine – deutlich eingetrübt hat. Gleichzeitig führt die geopolitische Unsicherheit insbesondere über steigende Energiepreise zu einer sich verschärfenden Inflation.
Ein potenziell stagflationäres Umfeld stellt eine enorme Herausforderung für Aktieninvestoren dar. Denn einerseits schwächt zurückgehendes Wirtschaftswachstum die Unternehmen umsatzseitig. Zum anderen erhöht sich aufgrund der hohen Inflation unweigerlich die Kostenseite, was sich bei fehlender Marktmacht letzten Endes negativ auf die Margenentwicklung und den Gewinn auswirkt.
Abseits der umsatz- und kostenbezogenen Herausforderungen durch stagflationäre Entwicklungen ergeben sich in diesem Szenario weitere Risiken aufgrund der sich verändernden Zinslandschaft in Form der Aktienduration sowie Unternehmensverschuldung.
Unternehmensverschuldung richtig messen
Die Unternehmensverschuldung wird oftmals nicht explizit im Rahmen systematischer Strategien berücksichtigt, sondern findet meist neben Maßen für Profitabilität Einklang in Form einer aggregierten Kennzahl der Unternehmensqualität. Jedoch erlaubt es diese Kombination nicht, die einzelnen Werttreiber einer Aktienstrategie nachzuvollziehen. Aus diesem Grund halten wir eine separate Steuerung der einzelnen Dimensionen für den besseren Ansatz, da beide Kennzahlen unterschiedliche Dinge messen: Wie viel verdient ein Unternehmen? Wie sieht die Bilanzstruktur aus?
Hinsichtlich der Analyse der Unternehmensverschuldung gibt es verschiedene Ansätze, wobei diese zu teils äußerst heterogenen Ergebnissen führen, wie Abbildung 1 anhand der vier nachfolgenden Kennzahlen verdeutlicht:
- Total Debt Total Assets
- Total Debt/Enterprise Value
- Net Debt/Enterprise Value
- Net Debt/Enterprise Value incl. Pensions
Beim Enterprise Value fließt insbesondere das Eigenkapital zu Marktpreisen ein, während Total Assets ausschließlich auf Buchwerten beruht. Bedenkt man dabei die bekannten Schwachstellen des Buchwerts (siehe Equity Insights # 2), so stellt der Enterprise Value die ökonomisch sinnvollere Größe dar. Wichtig ist es zudem, mittels Net Debt die Barbestände zu berücksichtigen. Man denke dabei an Apple mit einer Schuldenlast von USD 137 Mrd., der jedoch Barbestände von USD 191 Mrd. gegenüberstehen.
Zum anderen sollten “off-Balance Sheet” Finanzierungsmöglichkeiten wie Pensionsverpflichtungen oder – in historischen Analysen – Operating Leases (nach IFRS-Update mittlerweile auf der Bilanz kapitalisiert) berücksichtigt werden. Aus diesen Gründen bevorzugen wir die Kennzahl “Net Debt/Enterprise Value incl. Pensions”.
Abb. 1: Unternehmensverschuldung im Vergleich
Quelle: Assenagon, Bloomberg
Betrachtet man die klassische Fremdkapitalquote in Abbildung 1, so weist der Pharma- und Laborzulieferer Sartorius die höchste Verschuldung auf. Jedoch ist dieses Bild trügerisch, denn insbesondere bei Sartorius unterschätzt der Buchwert signifikant den tatsächlichen Unternehmenswert. Bei Infineon wiederum senkt der Barmittelbestand die Verschuldung deutlich. Auffällig sind zudem die hohen Pensionsverpflichtungen der Deutschen Post, die nach Berücksichtigung sämtlicher Faktoren den höchsten Verschuldungsgrad zeigt.
Zwei Dimensionen der Zinssensitivität
In unserem Equity Insights Artikel # 9 haben wir das Konzept der Aktienduration näher vorgestellt, welches basierend auf dem aktuellen Unternehmenswert sowie den zukünftigen Cashflows die Sensitivität zu Veränderungen im Zinssatz beschreibt. Hoch bewertete Unternehmen, die einen Großteil ihrer Cashflows in ferner Zukunft erwirtschaften, zeigen oftmals eine lange Duration.
Abseits der Aktienduration ergibt sich jedoch ein weiterer Zinseffekt. Denn steigende Refinanzierungskosten aufgrund höherer Zinsen wirken sich negativ auf die Margen von verschuldeten Unternehmen aus, was sich letzten Endes in der Kursentwicklung wiederspiegeln wird.
Tabelle 1 vergleicht beispielhaft deutsche Aktien hinsichtlich dieser beiden Dimensionen. Unternehmen wie Vonovia und E.ON mit langer Duration und hoher Verschuldung leiden in Zeiten steigender Zinsen doppelt, gegenteiliges gilt für Allianz und Covestro mit kurzer Duration und niedriger Verschuldung. Bei den weiteren Beispielen wirken die Effekte in gegensätzlicher Richtung.
Tab. 1: Zwei Dimensionen der Zinssensitivität
Quelle: Assenagon, Bloomberg
Assenagon Equity Framework
Wie wir aufgezeigt haben ist es wichtig stets alle relevanten Einflussfaktoren zu berücksichtigen. Andernfalls droht bei einer klassischen Value-Strategie mit zwar niedriger Bewertung und kurzer Aktienduration, aber auch einer erhöhten Verschuldung, eine ungewollte Zinssensitivität. Ähnliches gilt für eine klassische Quality-Strategie mit zwar niedriger Verschuldung, aber auch hoher Bewertung und langer Aktienduration.
Für den Anleger
Vor dem Hintergrund eines möglichen stagflationären Szenarios ist es wichtiger denn je, in jedweder Aktienstrategie und insbesondere einer modernen Value-Strategie die verschiedenen Dimensionen der Unternehmensqualität zu berücksichtigen. Dies beinhaltet eine gesunde Profitabilität im Sinne einer starken Marktposition, um die fundamentalen Herausforderungen zu meistern. Des Weiteren gilt es eine überhöhte Verschuldung zu vermeiden.
PS: Lesen Sie in der nächsten Ausgabe eine Analyse zur Einzeltitelkonzentration bei Themeninvestments.
Daniel Jakubowski
Equity Portfolio Management
Dr. Ulrich Wessels
Structured Sales