Das Investment: Christian Machts im Interview: “Die Fonds-Branche geht zu oft auf Tauchstation”

DAS INVESTMENT: Was haben Sie Anfang März bei Ihrem ersten Tag im Homeoffice gedacht?

Christian Machts: In den ersten Tagen war ich staunender Beobachter, wie viele von uns. Nach kurzer Zeit reifte dann die Erkenntnis, mit welcher Dimension von Krise wir es zu tun haben und vor allem, dass diese Krise sehr viel, was wir kennen, grundlegend verändern wird.

Wann kam der Gedanke, dass Fidelity nun erst recht für Investoren visibel sein muss?

Machts: Sehr früh, schon in der ersten Woche. In den Krisen der vergangenen 25 Jahre ging unsere Industrie oft auf Tauchstation. Das ist schade und war stets falsch. Gleichzeitig ergab sich damit eine große Chance, uns zu zeigen und an der Seite unserer Kunden zu sein.

Dazu haben Sie seit März zu zahlreichen Telefon-Konferenzen geladen. Ex-Minister wie Peer Steinbrück und Thomas de Maizière waren zugeschaltet. FDP-Mann Christian Lindner, aber auch Wissenschaftler, der Ökonom Daniel Stelter, Digital-Expertinnen. Welches Gespräch ist Ihnen ganz besonders in Erinnerung geblieben und warum?

Machts: Für mich war die erste Konferenz mit Peer Steinbrück am eindrücklichsten. Es ging um die Parallelen zu 2008/2009 und wie Politik in der Krise agiert. Sehr schnell war klar, dass die Corona-Krise die Finanzmarktkrise im Vergleich sehr klein aussehen lässt.

Wie viele Zuhörer hatten Sie?

Machts: Wir hatten in der Spitze bis zu 2.000 Zuhörer, worauf wir sehr stolz sind. Wir können uns bei allen Teilnehmern für ihr großes Interesse an den Konferenzen bedanken.

Darf man sagen, dass Fidelity ein Profiteur der Krise ist?

Machts: Wir haben einige Dinge richtig gemacht, vor allem in der Kommunikation mit unseren Kunden. Ich wünsche mir, dass wir Elemente daraus in die Zukunft mitnehmen und damit eine noch schlagkräftigere und wettbewerbsfähigere Organisation werden.

Ihre Jobbeschreibung auf LinkedIn, wo Sie sehr aktiv sind, lautet: „Head of Innovation and Fintech Europe“ und erst danach steht „Head of Wholesale“. Haben Sie mehr Spaß an digitalen Innovationen als am Vertrieb?

Machts: Ich bin bereits seit langem davon überzeugt, dass sich der Vertrieb, die Unterstützung von Vertriebskanälen und auch die Neukundengewinnung im Asset Management massiv durch die Nutzung digitaler Medien verändern wird. Fidelity hat mir in einer neuen, zusätzlichen Funktion die Chance gegeben, mich mit Innovationsthemen im Vertrieb und mit Partnerschaften im Bereich der Fintechs und Start-ups europaweit zu beschäftigen.

Wenn Sie die Netto-Mittelzuflüsse der Fidelity-Fonds über die vergangenen sechs Monate analysieren, lässt sich daran das Corona-Drama abtragen und einordnen?

Machts: Natürlich ist die Corona-Krise auch an uns nicht spurlos vorbeigegangen. Seit April hatten wir aber durchgängig jeden Monat Zuflüsse. Wir stehen bei mehr als 1,3 Milliarden Euro an Zuflüssen in den vergangenen zehn Monaten und seit Jahresbeginn bei nahezu einer Milliarde Euro. Das ist ein tolles Ergebnis.

Bereits Ende März sprachen Sie von essenziellen Veränderungen der Fondsbranche, die durch Corona beschleunigt werden dürften. Was heißt das konkret?

Machts: Wie seinerzeit erwartet, sehen wir den Trend zu passiven Produkten, der sich weiter verstärkt hat. Digitalisierung, Konzentration von Partnerschaften und das Thema Nachhaltigkeit verändern unsere Branche jeden Tag. Die Corona-Krise wirkt da als zusätzlicher Beschleuniger.

Wie wird sich Vertrieb verändern?

Machts: Vertrieb wird digitaler und virtueller. Aber darauf ist kaum jemand vorbereitet. Produkte und Strategien mu¨ssen sich noch klarer voneinander abgrenzen. Wir vollziehen eine Bewegung von einem generalistischen Vertriebsansatz zu mehr Spezialistentum.

Welche ganz persönliche Erfahrung nehmen Sie mit aus den vergangenen sechs Monaten?

Machts: Erstmal, dass wir bei Fidelity ein super Team sind und gerade in Krisenphasen zielorientiert und pragmatisch zusammenarbeiten. Wenn wir uns fokussieren, sind wir in der Lage, in kurzer Zeit Großes zu leisten. Und noch ganz persönlich: Mehr Zeit mit der Familie ist unglaublich toll und durch nichts zu ersetzen.

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