Was geschieht, wenn die Anleihekäufe und Zinssenkungen der Zentralbanken nicht mehr ausreichen oder an Grenzen stoßen? David Wehner, Portfoliomanager bei Do Investment, erläutert, welche Impulse Aktienkäufe setzen können und wo die Risiken liegen.
Bei einem möglichen Aktienkaufprogramm der EZB steckt der Teufel im Detail. Die EZB könnte sowohl über Direktinvestitionen als auch über passive Indexfonds (ETFs) Aktien kaufen.
Da sie als unabhängiges Aufsichtsorgan bei ihren Anleihekäufen die Wertpapiere von Finanzinstituten gemieden hat, wird sie auch bei Aktienkäufen einen Bogen um Bankaktien machen. Dadurch ist es wahrscheinlicher, dass die EZB Aktien direkt erwerben wird, da sie beim Kauf von ETFs zwangsläufig auch in Bankaktien investieren würde.
Des Weiteren könnten ethische Grundsätze in die Rahmenbedingungen des Kaufprogramms einfließen, wodurch die EZB Reputationsrisiken verringern und sich an entsprechenden Überlegungen des europäischen Parlaments orientieren würde. Dies bedeutet auch, dass Unternehmen, die beispielsweise mit Waffen, Drogen/Alkohol, Umweltzerstörung einen Großteil ihres Umsatzes machen, automatisch ausgeschlossen werden.
Auf Nummer sicher – die Kaufliste der EZB
Schauen wir noch genauer hin: Aktienstimmrechte würde die EZB entweder nicht ausüben – oder sie könnte diese an Anlegerverbände übertragen. Im Gegensatz zur Bank of Japan (BoJ) kann die EZB nicht die Aktien eines Landes kaufen, sondern muss die Aktienkäufe auf 19 Länder aufteilen. Bei den Anleihekaufprogrammen hat sie dafür einen Kapitalschlüssel definiert, der sich letztendlich an der wirtschaftlichen Größe des Landes orientiert und wahrscheinlich eine Orientierung für ein Aktienkaufprogramm ist.
Allerdings hat die EZB diesen nicht immer eingehalten. Das wird sie wahrscheinlich auch bei den Aktienkäufen nicht immer wollen und können. Es ist zu erwarten, dass die EZB überwiegend mittelgroße und großkapitalisierte Unternehmen kaufen würde, die eine ausreichende Liquidität am Markt aufweisen. Eine wesentliche Frage, die sich im Zuge eines Aktienkaufprogramms ergibt: Wie lässt es sich rückabwickeln?
Die Exit-Strategie
Bei Anleihen ist es möglich, bei Fälligkeit keine Reinvestitionen vorzunehmen und dadurch die Zentralbankbilanz zu reduzieren. Die Federal Reserve hat auf diese Weise ihre Zentralbankbilanz geschrumpft. Aktien haben kein Fälligkeitsdatum und müssten somit über die Börsen verkauft werden. Abhängig vom Volumen und der Marktenge eines Titels könnte das zu höherer Volatilität führen. Marktteilnehmer könnten den Verkauf von Aktien durch die Zentralbank als Signal werten, dass die Höchststände erreicht sein.
Mögliche Folge: Ein Dominoeffekt, der Investoren dazu veranlasst, ihre Aktienbestände ebenfalls zu veräußern und die Aktienmärkte dadurch stärker unter Druck setzt. Noch gibt es keine Erfahrungswerte, da die Zentralbanken weiterhin expansiv sind. Einen kleinen Vorgeschmack auf eine restriktivere Fed-Zentralbankpolitik hat uns das vierte Quartal 2018 gegeben, als die amerikanischen Börsen über 20 Prozent eingebrochen sind.
Die Federal Reserve würde wahrscheinlich ähnlich wie die BoJ Aktien über passive Indexfonds kaufen. Zum einen ist die Fed für die Geldpolitik eines Landes verantwortlich und muss ihre Käufe nicht auf unterschiedliche Länder aufteilen. Zum anderen dürfte die Vermeidung von Bankaktien und unethischen Investments nicht im Vordergrund stehen, sondern vielmehr die Unterstützung des Finanzmarkts, um eine nachhaltige Aktienkorrektur zu verhindern. Des Weiteren sind die USA der wichtigste Aktienmarkt der Welt und weisen somit eine Fülle an Indizes und entsprechenden liquiden ETFs auf.
Es ist sogar wahrscheinlich, dass die Fed Negativzinsen vermeiden und stärker zu Asset-Kaufprogrammen greifen würde, da Negativzinsen Kollateralschäden mit sich bringen, die an der Performance der europäischen Bankaktien ablesbar sind.
Aktienkäufe: Stimuli mit Risiken
Die Reaktion auf die bisherigen Anleihekaufprogramme lässt vermuten, dass die Kapitalmärkte ebenfalls positiv auf die Ankündigung eines Aktienkaufprogramms reagieren – und die Aktienkurse durch die künstlich geschaffene Nachfrage steigen. Von dieser Euphorie würden auch Marktsegmente profitieren, die nicht direkt von der EZB oder der Fed gekauft werden, da sie relativ attraktiver werden. Darüber hinaus könnten die Zinsen leicht steigen, falls die Zentralbanken ihre Unterstützungsmaßnahmen stärker von Anleihen auf Aktien verlagern.
Allerdings: Diese neue Stufe bringt der monetären Expansion auch Risiken mit sich. Die Wahrscheinlichkeit von abrupten Marktkorrekturen wächst, falls die steigenden Aktienkurse mittelfristig nicht durch verbesserte fundamentale Wirtschafts- und Unternehmensdaten unterstützt werden, sondern ausschließlich auf gedrucktem Zentralbankgeld basieren.
Über den Autor:
David Wehner ist Senior Portfoliomanager bei Do Investment.
Quelle: Das Investment