Das Investment: Assenagon: Das Produktivitätsparadox

Das Wachstum der Produktivität verlangsamt sich trotz boomenden technischen Fortschritts. Wie passt das zusammen? Und was bedeutet das für Anleger? Diesen Fragen ist Assenagon-Chefökonom Martin Hüfner nachgegangen. Eines der großen Rätsel der Ökonomie ist das Produktivitätsparadox. Es besagt, dass der technische Fortschritt immer schneller wird, dass die Produktivität der Volkswirtschaft dabei aber nicht mitzieht. Sie nimmt im Gegenteil immer langsamer zu. Der Nobelpreisträger Robert Solow hat das schon vor dreißig Jahren auf die einprägsame Formel gebracht: „Sie können das Computerzeitalter überall sehen, nur nicht in den Produktivitätsstatistiken“.

Das ist ein weltweites Phänomen. Es gilt sowohl für die USA, die durch das Silicon Valley zu einem Treiber der modernen Techniken geworden sind, wie auch für Deutschland, das noch hinterherhinkt. Das veranschaulicht folgende Grafik: Sie zeigt die Entwicklung der Produktivität je Arbeitsstunde in Deutschland in den letzten 25 Jahren. In den 90er Jahren lag die Zuwachsrate noch bei im Schnitt zwei Prozent jährlich, inzwischen ist sie auf unter ein Prozent gefallen.

Warum führt technischer Fortschritt nicht zu wachsender Produktivität?
Wie passt das zusammen? Wie kommt es, dass der technische Fortschritt boomt, das Wachstum der Produktivität aber eher lahm ist? Ganz einfach. Dahinter steht ein Missverständnis. Das ist die Annahme, technischer Fortschritt und Produktivitätswachstum seien praktisch Synonyma. Das ist aber nicht der Fall. Es gibt zwar Bereiche, in denen technischer Fortschritt die Produktivität verbessert. Es gibt aber mindestens genauso viele Fälle, in denen er nichts mit dem Produktivitätswachstum zu tun hat.

Schauen wir uns das genauer an. Technischer Fortschritt – das sind Innovationen und Erfindungen. Er wird häufig gemessen an der Zahl der Patente, die in einem Zeitraum angemeldet werden. Er bezieht sich zum Teil auf neue Produkte, zum Teil auf neue Prozesse. Gerade bei den Produkten hat sich in letzter Zeit viel getan. Man denke nur an die Smartphones, die den Markt in den vergangenen Jahren überschwemmt haben. Oder an Autos, Kühlschränke oder Fernsehapparate, die durch neue Erfindungen besser geworden sind. All das hat nichts mit der Produktivität zu tun. Es verbessert direkt den Nutzen der Kunden. Insofern enthält die Produktivität nur einen Teil des gesamten technischen Fortschritts.

Produktivität bezieht sich allein auf Produktionsprozesse
Die Produktivität bezieht sich allein auf die Produktionsprozesse. Sie ist definiert als Output je Beschäftigtem oder Beschäftigtenstunde. Ihre Höhe hängt natürlich von den jeweils vorhandenen beziehungsweise eingesetzten Technologien ab. Vor zehn Jahren wurde anders produziert als heute. Insofern vergrößert technischer Fortschritt für sich genommen die Produktivität. Daneben spielen aber auch viele andere Dinge eine Rolle.

Wichtig ist hier vor allem die Umsetzung des technischen Fortschritts in den Betrieben. Die Erfindung der Dampfmaschine hat für die Volkswirtschaft per se überhaupt nichts gebracht. Erst als sie in den Betrieben zum Antrieb von Maschinen oder im Verkehr als Lokomotive genutzt wurde, wurde sie volkswirtschaftlich bedeutsam und hat die Produktivität erhöht.

Bei dieser Umsetzung hapert es vielfach. Es müssen neue Maschinen angeschafft, Produktionsprozesse umgestaltet, Personal muss geschult werden. Per Saldo erhöht das den Output in den meisten Fällen zunächst überhaupt nicht. Es steigen nur die Kosten. Wenn sich nach einer gewissen Zeit die positiven Effekte zeigen sollten, kommen oft schon wieder neue Technologien, deren Einführung wieder Geld kostet. Das ist ein permanenter Prozess, eine Innovation löst die andere ab. Man muss sich nur die großen IT-Abteilungen in den Unternehmen an- schauen, die immer größer werden. All das verlangsamt das Wachstum der Produktivität.

Technischer Fortschritt erfordert Zeit
Hinzu kommt, dass die Umsetzung des technischen Fortschritts in den Betrieben mit sehr unterschiedlichem Tempo erfolgt. Große Unternehmen können es sich meist leisten, Innovationen schneller einzusetzen. Im Mittelstand dauert es in der Regel etwas länger. Nach Berechnungen der OECD haben lediglich fünf Prozent der Betriebe ihren Output je Stunde zwischen 2001 und 2013 um 40 Prozent erhöht. Die restlichen 95 Prozent – vor allem Mittelständler – haben ihre Produktivität in dieser Zeit dagegen kaum angehoben. Im Durchschnitt ergibt sich daraus eine Zunahme von gerade einmal zwei Prozent – also fast gar nichts.

Daneben gibt es noch einen anderen Faktor, der nichts mit dem technischen Fortschritt zu tun hat. Die Rahmenbedingungen des Wirtschaftens müssen stimmen. Eine Volkswirtschaft kann technisch noch so gut und fortschrittlich sein und viele Patente anmelden. Wenn ihre Straßen und Brücken schlecht sind und die Güter nicht schnell genug transportiert werden können oder wenn es bei der Aus- und Weiterbildung der Arbeitskräfte hakt, bleibt das Wachstum niedrig und die Produktivität erhöht sich nur langsam.

All das erklärt, weshalb das Produktivitätswachstum trotz hohen technischen Fortschritts so langsam ist und eher noch weiter abnimmt. Es ist zu vermuten, dass sich daran auch nicht so schnell etwas ändern wird. In jedem Fall wird es kaum ausreichen, um die negativen Effekte der demografischen Alterung auf das Wirtschaftswachstum auszugleichen.

Fazit für Anleger
Für den Anleger ist die Unterscheidung zwischen technischem Fortschritt und Produktivität wichtig. Im Augenblick kommen viele Firmen mit klugen Ideen und Innovationen an die Börse. Sie sehen attraktiv aus, sind als Unternehmen aber noch nicht so weit, dass sie Geld verdienen. Die britische Zeitschrift „Economist“ erwähnt ein Dutzend solcher Firmen, die derzeit entweder schon gelistet sind oder den Antrag gestellt haben. Sie machen insgesamt Verluste in Höhe von 14 Milliarden US-Dollar. Das ist gefährlich für Anleger. Sie sollten es sich genau überlegen, in Firmen zu investieren, die noch kein Geld verdienen – und sich nicht blenden lassen.

Von: Quelle: Das Investment

Siehe auch

FondsProfessionell: FFB-Chef: “Wir bleiben Teil von Fidelity”

Fidelity sucht einen Käufer für die FIL Fondsbank (FFB), hieß es im Sommer 2023. Doch das ist Geschichte, sagt FFB-Geschäftsführer Jan Schepanek im Interview mit FONDS professionell. Im Gespräch erläutert er, wie es zu dieser Entscheidung kam – und welche Pläne er mit der Fondsplattform hat.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert