Es ist ja nicht neu, dass der Dax einen großen Teil seiner Wertentwicklung den wiederangelegten Dividenden zu verdanken hat. Aber hätten Sie gedacht, dass es so viel ist? Wir auch nicht, deshalb haben wir mal hin- und hergerechnet? Irgendwie ist es ja nicht nett, auf einem Geburtstag etwas Schlechtes über den Jubilar zu schreiben. Deshalb überbringen wir die Nachricht ganz sanft und rücksichtsvoll: Ohne seine Dividenden läuft der Dax nicht ganz so toll, wie es zunächst erscheint. Kurz zum Hintergrund: Der deutsche Vorzeige-Index ist im internationalen Vergleich einzigartig. Er ist einer der ganz wenigen Länderindizes (oder sogar der einzige?), in dem ausgeschüttete Dividenden rechnerisch wieder angelegt werden und eine Art Zinseszinseffekt erzeugen.
Aus anderen Indizes, zum Beispiel dem Euro Stoxx 50, fließen die ausgezahlten Gewinne einfach ab. Dort bestimmen nur die Aktienkurse den Indexverlauf. Das ist im Grunde ziemlich dumm, denn damit spiegeln Indizes nicht das Ergebnis wider, das ein Anleger erzielt hätte. Besser sind die sogenannten Total-Return-Varianten, die es meist parallel dazu gibt. Die aber in der Zeitung und der Telebörse am Abend nicht auftauchen.Die folgende Grafik zeigt den sogenannten Preis-Dax, den die Deutsche Börse parallel zum klassischen Dax berechnet. Und der hätte in den 30 Jahren seines Bestehens gerade mal einen Gewinn von 398 Prozent erreicht. Das sind 5,5 Prozent im Jahr. Der echte Dax brachte 958 Prozent Gewinn – das sind jährlich 8,2 Prozent.
Nun drängt es sich auf, einfach mal den US-amerikanischen Leitindex S&P 500 dazuzulegen. Und siehe da: Er erreicht in seiner Standardvariante – also ohne Dividenden – in Landeswährung einen fast so hohen Gewinn wie der Dax inklusive Dividenden (Grafik auf Seite 2). Wenn man auch hier Dividenden wieder mitanlegt, schwillt der Gewinn auf sagenhafte 1.833 Prozent an. Das entspricht wiederum 10,4 Prozent im Jahr. Wenn man es hart ausdrückt, klingt das erst einmal peinlich für die erste Reihe der deutschen Wirtschaft.
Andererseits bringt es der französische Index Cac 40 inklusive Dividenden nur auf 932 Prozent Gewinn. Aber beim FTSE 100 aus Großbritannien sind es wiederum – zumindest in der Landeswährung Pfund – rund 1.170 Prozent. Was ist gut, und was ist schlecht?
Sicherlich muss man dazu ein paar Umstände betrachten. So schütten deutsche Unternehmen traditionell einen größeren Teil ihrer Jahresgewinne als Dividende aus, als es amerikanische machen. Die haben Jahrzehntelang mit ihren Gewinnen eigene Aktien zurückgekauft, was den Kurs natürlich treibt. So galt es in den Neunzigern lange als Binsenweisheit, dass Microsoft keine Dividende zahlt. Dafür konnte man als Aktionär mehr als ordentliche Kursgewinne einsacken. Das ändert sich aber. Auch US-Unternehmen schenken heute Dividenden mehr Aufmerksamheit als früher.
In Deutschland ist die Deutsche Telekom ein Beispiel für den Wert der Dividende. Am 18. November 1996 kam die T-Aktie zu einem Emissionskurs von umgerechnet 14,57 Euro (28,50 D-Mark) auf den Markt. Heute notiert sie bei 13,67 Euro. Damit säßen Aktionäre der ersten Stunde auf einem Verlust. Nur dank der Dividende steht heute trotzdem ein Plus von immerhin 90 Prozent. Aber auch das sind nur gerade mal 3 Prozent im Jahr.
Auch andere Problemfälle machten dem Dax zu schaffen: die nach ihrem Dax-Einstieg schwächelnde Chip-Firma Infineon, die bankrottgegangene Hypo Real Estate, der Scherbenhaufen namens Deutsche Bank und die Umweltfreunde von VW. Dabei muss man sich klarmachen, dass in einem mit 30 Werten vergleichsweise schlecht gestreuten Index solche Fälle relativ stark ins Gewicht fallen. Sollte man nicht doch auf 40 Werte gehen, wie es die DWS jüngst vorschlug? Dividende hin oder her – das wäre definitiv eine gute Idee.
Von: Andreas Harms
Quelle: Das Investment