Die Unternehmen der P&R-Gruppe sind insolvent. Viele betroffene Berater geraten zunehmend unter Druck und sehen ihre Existenz gefährdet. Dennoch sollten sie gelassen bleiben, rät Rechtsanwalt Lutz Tiedemann. Rund 3,5 Milliarden Euro sollen nach der Insolvenz der P&R-Gruppe im Feuer stehen, um die 80.000 meist Privatanleger betroffen sein. Ein Skandal? Oder gar ein kriminelles Schneeballsystem? Die Spekulationen, was tatsächlich geschah, schießen ins Kraut. Aber klar ist bisher nichts. Was hingegen klar ist: Immer mehr Anleger wollen sich bei ihren Finanzberatern und Vermittlern schadlos halten. Viele betroffene Berater geraten zunehmend unter Druck und sehen bisweilen auch ihre Existenz gefährdet.
Ein Investment geht schief. Kann passieren, geschieht nicht eben selten. Wir erinnern uns: Die T-Aktie war auch mal mehr als 100 Euro wert. Beinahe reflexartig suchen Investoren nach Verantwortlichen für´s Desaster. So sind aus Anlegers Sicht meist die anderen Schuld. Mit Vorliebe genommen als Sündenböcke werden Finanzberater respektive Vermittler. Die Insolvenz der P&R-Gesellschaften ist hier keine Ausnahme. Die Unternehmensgruppe ist insolvent, dürfte deshalb als liquider Haftungsadressat ausfallen. Deshalb spricht fast jeder ausschließlich von und über Beraterhaftung. Finanzanlageberater und Finanzanlagevermittler werden zunehmend mit Schadenersatzansprüchen aufgrund angeblicher Fehlberatungen ihrer Kunden konfrontiert, ja behelligt und malträtiert. Die Berater stecken hier in einer zweifellos gefährlichen Zwickmühle. Sollen sie die Schadenersatzansprüche generell abwehren und so ihre Kunden verärgern? Oder lassen sie sich auf Anfragen von Kunden und deren Anwälten mit Erklärungen, Rechtfertigungen und ähnlichen Dingen ein?
Kolleginnen und Kollegen, die die Anlegerseite vertreten, versuchen zunächst, den Berater den Verzicht auf die Einrede der Verjährung abzuringen. Überdies werden Erklärungen verlangt zu den meist viele Jahre zurückliegenden Gesprächsinhalten zwischen Berater und Anleger. Außerdem wollen Anlegeranwälte herausfinden, wer tatsächlich der Vertragspartner ihrer Mandanten war. Sie als Vermittler oder Berater persönlich? Oder Sie nur gleichsam als Erfüllungsgehilfe von P&R.
Wichtig: Geben Sie keine vorschnellen Erklärungen ab, erst recht nicht ohne anwaltlichen Beistand. Dies könnte sich in einem späteren Verfahren bitter rächen. Vor allem könnte es sehr teuer werden und Ihre Existenz gefährden, falls Ihre Vermögenschadenhaftpflicht keine Deckung erteilt.
Die gleichsam erste Beraterpflicht lautet: Keinesfalls verunsichern lassen. Gehen Sie an die ganze Sache vernunftgesteuert und nicht emotional heran. Auch wenn Sie Profi sind, konzentrieren Sie sich auf die rechtliche Relevanz und die Vorgaben des Gesetzgebers bei der Ausübung Ihres Berufes. So sind Inhalte und Umfang der Beratungspflicht von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Ihre Beratung muss etwa auf die Person des Anlegers zugeschnitten sein, also anlegergerecht erfolgen. Das empfohlene Investment muss somit zu den persönlichen Zielen passen. Sie müssen den Wissensstand des Anlegers im Hinblick auf bereits getätigte Investments und insbesondere auf die Risikobereitschaft berücksichtigen.
Übrigens: Ein Beratungsvertrag als Rechtsgrundlage für Ihre Arbeit muss nicht unbedingt schriftlich erfolgen. Ein solches Mandat kann auch mündlich oder stillschweigend vereinbart werden. Nach höchst-richterlicher Rechtsprechung kommt ein stillschweigender Auskunfts- und Beratungsvertrag zustande, wenn sich der Anleger an den Vermittler wendet, um ein bestimmtes Investment zu erfragen. Selbstverständlich auch umgekehrt, sobald der Vermittler an dem potenziellen oder Bestandskunden herantritt. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH), das höchste deutsche Zivilgericht, so formuliert:
„Tritt ein Anlageinteressent an eine Bank oder der Anlageberater einer Bank an einen Kunden heran, um über die Anlage eines Geldbetrages beraten zu werden bzw. zu beraten, so wird das darin liegende Angebot zum Abschluss eines Beratungsvertrages stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsgespräches angenommen.“
Der Bundesgerichtshof hat in grundlegenden Entscheidungen Beratungsverpflichtungen in Hülle und Fülle vorgegeben. Diese Vorgaben werden rigoros und extrem streng von Landgerichten, Oberlandesgerichten und auch vom Bundesgerichtshof selbst in anderen Verfahren ausgelegt. Mehr noch: Diverse Gerichtsentscheidungen gehen sogar noch einen Schritt weiter, sind also im Hinblick auf Beratungspflichten noch strenger als die BGH-Vorgaben.
Berater und Vermittler sollten deshalb extrem vorsichtig und dürfen nicht nachlässig sein. Beispielsweise kreidete das Landgericht Hamburg einem beklagten Vermittler an, dass er die Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Investment-Anbieters nicht geprüft hatte. Anlegerschutzanwälte nutzen oft solche zu harten Entscheidungen, um den Vermittler weich zu klopfen.
Doch mal ganz ehrlich gefragt: Welcher Vermittler prüft schon die AGB? Zugleich wäre es aber fatal, wenn Sie als Berater aufgrund solcher Gerichtsurteile Fehlberatungen von sich aus anerkennen würden, also gegenüber dem Kunden und dessen Anwalt die Schuldanerkenntnis abgäben. Übrigens: Besagtes AGB-Urteil des Hamburger Landgerichts wird einer rechtlichen Überprüfung wohl nicht standhalten, darin sind sich namhafte Juristen einig.
Falls Sie in den vergangenen Jahren Container-Investments von P&R vermittelt haben, werden Sie mit großer Wahrscheinlichkeit früher oder später mit Schadenersatzansprüchen konfrontiert werden. Falls dies nicht schon passiert ist. Erster Schritt: Betroffene Berater verschaffen sich zunächst einen Überblick über die Unterlagen, die seinerzeit dem Kunden übergeben worden sind, dazu zählen auch Beratungsprotokolle. Ebenfalls unbedingt prüfen, wann die Beratung stattgefunden hat. Eventuell sind nämlich Schadenersatzansprüche bereits verjährt. Die Verjährungsfrist beträgt hier 10 Jahre. Dann wären Sie sowieso aus dem Schneider.
Erfahrungsgemäß kochen Anlegeranwälte auch nur mit Wasser und bauen gern eine Drohkulisse auf. Auch weil sie unter Zeitdruck wegen der Verjährung stehen. Ein Berater sollte also sehr sorgfältig, am besten mit einem versierten Rechtsbeistand, darüber nachdenken, wie weit er dem Anwalt der Gegenseite bzw. dem Kunden entgegenkommen soll oder kann und ob er von sich aus auf die Einrede der Verjährung verzichten soll.
Hier nochmals zur Erinnerung eine kurze Checkliste für den Fall, dass Sie Post von Ihren Kunden, eher von deren Anwälten bekommen:
Wurden Container-Direktinvestments von P&R vermittelt?
Waren Sie dabei als freier Finanzanlagenberater tätig? Oder aber ausschließlich für P&R?
Wie kam die Beratungsbeziehung zum Kunden zustande?
Welche Unterlagen wurden übergeben?
Welche schriftlichen und mündlichen Erklärungen haben sie abgegeben?
Wann wurde das Investment abgeschlossen?
Haben Sie die Unterlagen auf Plausibilität geprüft?
Was genau haben Sie dabei getan?
Falls Sie sich anhand dieser Checkliste einen Überblick verschafft haben, ist Ihre Entscheidung vergleichsweise einfach, entweder an den Kunden heranzutreten oder sich selbst einen Anwalt zur Seite zu stellen. In den meisten Fällen ist es ratsam, sich der Unterstützung eines versierten Anwalts zu versichern. Selbst wenn Ihre Chancen bestens stehen, dass die Ansprüche eines Kunden ins Leere laufen.
Autor: Lutz Tiedemann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht sowie Partner der Hamburger Kanzlei Groenewold Tiedemann Griffel.
Quelle: Das Investment