Braut sich an den Aktienmärkten möglicherweise bald etwas zusammen? Christian Heger, Chefanlagestratege bei HSBC Global Asset Management, analysiert die aktuelle Lage und gibt einen Ausblick auf das zweite Börsenhalbjahr. DAS INVESTMENT.com: Nach einem überaus positiven Jahresverlauf ist der Aufschwung an den Aktienmärkten etwas ins Stocken geraten. Was erwartet Anleger im zweiten Halbjahr? Christian Heger: In der Tat haben sich nicht alle Hoffnungen für 2017 erfüllt. In den USA fehlen die Fiskalimpulse und in China herrscht eine restriktive Wirtschaftspolitik. Beides drückte zuletzt auf die allzu optimistischen Wachstumsprognosen.
Die schärferen Kommentare der Notenbanken haben zudem die relativ sorglosen Rentenmärkte überrascht. Beides bedeutet jedoch keine grundsätzliche Verschiebung des fundamentalen Umfeldes. In China beispielsweise hat die Regierung gerade wieder auf eine etwas expansivere Gangart umgeschaltet und die Stimmungsindikatoren sind gestiegen.
Die Konjunkturdaten scheinen also zu stimmen.
Heger: Nehmen Sie Europa. Hier hat sich die Konjunktur stark verbessert. Der eindeutige Wahlsieg von Emmanuel Macron in Frankreich hat die politische Unsicherheit in den Hintergrund gedrängt. Die Verbraucherstimmung ist auf einem Mehrjahreshoch, die Investitionen ziehen an, die Kreditvergabe steigt. Die Eurozone ist die Wachstumsüberraschung 2017. Und dieser Schwung dürfte bis weit in das nächste Jahr tragen. Das seit Jahresbeginn zu beobachtende synchrone Wachstum der Weltwirtschaft ist noch nicht zu Ende. Mit gut drei Prozent wachsen die Bäume zwar nicht in den Himmel, dafür mindert die moderate Dynamik die Risiken neuer Ungleichgewichte.
Was bedeutet das für die Politik der Notenbanken rund um den Globus? In den USA haben wir ja bereits moderate Zinserhöhungen gesehen.
Heger: Sagen wir mal so: Unsere Notenbanker haben es im Grunde genommen nicht nötig, ihre Geldpolitik deutlich zu verschärfen. Der moderate Ausstieg aus der extrem lockeren Geldversorgung bleibt gleichwohl auf der Agenda. In den USA bedeutet dies das Schrumpfen der Notenbankbilanz ab Oktober und einen weiteren Zinsschritt, vermutlich zum Jahresende. Und für die Europäische Zentralbank steht die Rücknahme des Ankaufprogramms 2018 im Mittelpunkt. Beides rechtfertigt keine deutlich höheren Zinsen für länger laufende Anleihen. Ein Ende der Kombination aus moderatem Wachstum und niedrigen Zinsen ist daher zumindest für 2017 nicht in Sicht.
Den Kapitalmärkten kommt das aktuelle Umfeld sehr entgegen, vor allem den Aktienmärkten. Ein zentrales Kriterium ist hier aktuell die Bewertung. Sind Aktien zu teuer oder gibt es gar eine Blase?
Heger: Nein. Nicht nur die Aktienkurse sind gestiegen, sondern auch die Unternehmensgewinne. Und ein belastender Zinsanstieg für die Aktienmärkte ist nicht in Sicht. Anzeichen für eine Blase erkennen wir aktuell nicht.
Was wären für Sie die klassischen Anzeichen einer Blase?
Heger: Aktienblasen haben in der Regel vier Merkmale. Dazu zählen zum Beispiel das Bewertungsniveau und die Anlegerstruktur. Momentan sind weder die Bewertungen extrem überteuert, noch strömen viele neue Anleger ohne Erfahrung an die Börsen. Hinzu kommt, dass auch Unternehmen nicht im großen Stil Aktien auf den Markt bringen. Das wichtigste Signal für eine Blase ist unserer Meinung jedoch das Auseinanderlaufen von Fundamentaldaten und Aktienkursen. Wenn die Kurse noch steigen oder stagnieren, die Gewinne aber bereits sinken, wird es ungemütlich. Das ist zurzeit nicht der Fall.
Von: Redaktion
Quelle: Das Investment